Im Folgenden werden Möglichkeiten veranschaulicht, wie Gebietskörperschaften einen PCGK vor Ort etablieren können. Der hier dargestellte Prozess ist eine grobe Darstellung, der Orientierungsmöglichkeiten für in der Praxis mit der Einführung eines PCGK betraute Handlungstragende bieten soll. Spezifische Gegebenheiten vor Ort können es zieladäquat und zweckmäßig machen, andere Wege zu wählen. Die vorgestellten Möglichkeiten sind in weiten Teilen analog auch bei der Evaluation eines bereits vorliegenden PCGK anwendbar. In jedem Fall ist es in Vorbereitung der Einführung zentral, das Bewusstsein über die Erfordernisse und Chancen eines PCGK bei den betroffenen Handlungstragenden zu fördern und die gemeinsame Handlungsbereitschaft zu stärken.
1. Die zuständigen Handlungstragenden auf Seiten des Eigners, beispielsweise aus der Politik, Verwaltungsspitze oder Verwaltung, bringen das Thema PCGK vor Ort im zuständigen politischen Gremium ins Bewusstsein.Um konkret über die Relevanz und Notwendigkeit der Einführung eines PCGK zu diskutieren, können insbesondere auch aktuell vielfach diskutierte Themen herangezogen werden, wie etwa die Repräsentation von Frauen und Diversität in den Boards, Zielgrößen für Frauen in den zwei Führungsebenen unterhalb der Geschäftsführer/-innen (Mensi-Klarbach et al. 2021; Papenfuß et al., 2021), Umwelt- und Klimaschutz-/ Nachhaltigkeitsziele (Europäische Kommission, 2016; Vereinte Nationen, 2015, 2020) oder die Gender-Pay-Gap (Beal & Astakhova, 2017). Der D-PCGM der Expertenkommission enthält hierzu jeweils konkrete Regelungen, die auch von Gebietskörperschaften als Diskussionsgrundlage herangezogen werden können. Hierdurch wird der Nutzen eines PCGK entlang von verschiedenen Rationalitäten zusätzlich greifbar und die Thematik kann als positives politisches Gestaltungsthema wahrgenommen werden. Im Ergebnis wird das Beteiligungsmanagement bzw. eine entsprechende Stelle oder Person im Zusammenwirken mit allen entsprechenden Akteursgruppen mit der Erarbeitung eines Entwurfs für einen neuen PCGK beauftragt.
2. Das Beteiligungsmanagement oder eine entsprechende Stelle auf Seiten des Eigners koordiniert federführend einen Austauschprozess zu den inhaltlichen Erwartungen (beispielsweise in Form von Workshops oder individuellen Gesprächen zu der Frage, wie der PCGK ausgestaltet sein soll), in dem die wesentlichen Beteiligten und Entscheidungstragenden aus den Bereichen Politik, Verwaltung, Unternehmensorgane und öffentliche Finanzkontrolle mit ihren Vorstellungen eingebunden werden. In einem integrativen und partizipativen Prozess können sich die beteiligten Akteursgruppen zu den Rollen und Spielregeln sowie über die ggf. im PCGK angesprochenen Instrumente und Maßnahmen abstimmen. Im Ergebnis werden die unterschiedlichen Interessen der Akteursgruppen im Prozess zur Einführung eines PCGK berücksichtigt und die Chancen für eine erfolgreiche Verabschiedung und spätere Umsetzung des PCGK erhöht.
3. Das Beteiligungsmanagement, eine entsprechende Stelle auf Seiten des Eigners oder – wenn erforderlich und zweckmäßig – eine externe Unterstützung erarbeitet im Zusammenwirken mit allen relevanten Akteursgruppen auf Basis der Ergebnisse aus dem Konsultationsprozess einen ersten Entwurf für den neuen PCGK. Der D-PCGM sowie der bereits vorliegende PCGKs können dabei wie folgt genutzt werden: Der D-PCGM der Expertenkommission kann zunächst als Ausgangsdokument genutzt werden, um die als nicht erforderlich bzw. für den jeweiligen Rechtskontext als nicht passend angesehenen Regelungen zu streichen bzw. anzupassen. Daneben können mit Hilfe des Qualitätsmodells zur international vergleichenden Analyse PCGKs anderer Gebietskörperschaften mit besonders hoher Qualität identifiziert und für die Erarbeitung herangezogen werden. Das Qualitätsmodell kann dabei eine Orientierung bieten, welche Regelungsinhalte als unbedingt erforderlich gelten können, da sie international anerkannten Governance-Standards entsprechen, die als solche von Gebietskörperschaften auf allen föderalen Ebenen und in Ländern mit unterschiedlichen Board Systemen erfüllbar sind. Für den Austauschprozess kann es zweckmäßig sein, vorgenommene Änderungen mit einem kurzen Kommentar zu begründen. Daneben können PCGKs von Standardsettern wie die OECD-Leitsätze zu Corporate Governance in staatseigenen Unternehmen ebenfalls genutzt werden.
4. Der erste Entwurf des PCGK wird den wesentlichen Beteiligten und Entscheidungstragenden vorgelegt und diese werden zur Abgabe von Stellungnahmen und Änderungsvorschlägen eingeladen. Die entsprechenden Akteursgruppen bekommen somit die Möglichkeit zu prüfen, ob die in den Workshops oder individuellen Gesprächen (s. Schritt 2) eingebrachten Punkte in dem Entwurf des PCGK umgesetzt wurden. Die Stellungnahmen der entsprechenden Akteursgruppen werden ausgewertet, eventuelle Änderungen werden in den PCGK eingearbeitet und für das zuständige politische Gremium wird eine Entscheidungsvorlage erstellt.
5. Das
zuständige politische Gremium berät in einer Sitzung über die vorgelegte Entscheidungsvorlage
zum PCGK. Beschließt das politische Gremium Änderungen am vorgelegten PCGK
vorzunehmen, werden diese in den PCGK eingearbeitet und dem politischen Gremium
erneut zur Entscheidung vorgelegt, das darüber beschließt. Der PCGK wird
abschließend auf der Internetseite der Gebietskörperschaft veröffentlicht.
Das Beteiligungsmanagement wirkt im politisch zuständigen Gremium darauf hin, dass dessen Vertreter/-innen in den Unternehmensorganen die Verankerung des beschlossenen PCGK in der Satzung der Unternehmen erwirken bzw. kurzfristig und aufwandsarm ein protokollierter und veröffentlichter Beschluss durch die Eignerversammlung mit entsprechender Bindungskraft erfolgt. Dies gewährleistet auch die anforderungsgerechte Umsetzung des comply-or-explain Prinzips als betonten Wirkungsmechanismus eines PCGK.
Ein wie hier veranschaulichter Prozess, indem PCGKs von Standardsettern wie der OECD oder der Expertenkommission D-PCGM und das Qualitätsmodell zur international vergleichenden Analyse bei der gemeinschaftlichen Erarbeitung von Regelungen vor Ort in den jeweiligen Gebietskörperschaften gezielt für Vergleiche und als Diskussionsbasis genutzt werden, kann helfen, in einer Gebietskörperschaft aufwandsarm Entscheidungen herbeizuführen. Auf dieser Basis erhalten Gebietskörperschaften für die Einführung eines neuen PCGK ein fundiertes und gleichermaßen sehr praxistaugliches Fundament, das alltagsgerechte Unterstützung bietet.
Für den hier angedeuteten Prozess ist die personelle Ressourcenausstattung der Gebietskörperschaft von zentraler Bedeutung. Dennoch ist selbst bei einer unzureichenden Personalausstattung – sei es durch die Bindung des Personals an andere Aufgaben oder das Nichtvorhandensein notwendiger Expertise – die Umsetzung der hier vorgeschlagenen Prozessgestaltung möglich. In einem solchen Fall kann die Gebietskörperschaft in Erwägung ziehen, bei ausgewählten Prozessschritten auch externe Expertise hinzuzuziehen.
Wichtig ist hierbei jedoch, dass diese Aufgabe von einer Stelle vorgenommen wird, die bei den wesentlichen Beteiligten und Handlungstragenden in der Gebietskörperschaft (Politik, Verwaltung, Unternehmensorgane, öffentliche Finanzkontrolle und Wirtschaftsprüfungsunternehmen) auf ausreichend Akzeptanz stößt und der eine hinreichende formale und inhaltliche Unabhängigkeit zugewiesen wird. Externe Expertise kann ggf. auch nur oder in bestimmter Form dafür genutzt werden, um eine Stellungnahme zum ersten Entwurf eines PCGK vor einer weiteren Befassung bzw. Beschließung in entsprechenden Gremien zu erhalten (s. Schritt 3).
In der Praxis und Wissenschaft wird vielfach betont, dass beispielsweise die Diskussion um die Erstellung und Inhalte eines PCGK schon an sich einen äußerst lohnenden Prozess darstellt, der wichtige Sachverhalte bewusster werden lässt und so die Basis für systematische Weiterentwicklungen bildet.
Zudem könnte in den Prozessen ein noch stärkerer Austausch zwischen Gebietskörperschaften realisierbar sein. Die Handlungstragenden im öffentlichen Beteiligungsmanagement könnten sich zudem zukünftig zu Themen aus dem Bereich der Public Corporate Governance noch stärker vernetzen und dabei auch die Entwicklungen auf Seiten von Standardsettern auch im privaten Sektor (vgl. z. B. Treuner, 2005) sowie nationale wie internationale Entwicklungen diskutieren. Darüber hinaus könnten beispielsweise Best-Practices zur Umsetzung von international anerkannten Governance-Standards vorgestellt und sich über diese ausgetauscht werden. Die Erkenntnisse aus dem Erfahrungsaustausch könnten wiederum in den jeweiligen Prozessen vor Ort verwendet werden.
Für die angestrebte Arbeit vor Ort ist der D-PCGM auf der Internetseite der Expertenkommission D-PCGM im Word-Format unter pcg-musterkodex.de abrufbar.