Das im Herbst 2015 Projekt versucht eine experimentelle künstlerische Aufbereitung eines für die deutsche Nachkriegsgeschichte bedeutsamen Archivs. Das „Archiv für Soziale Plastik“ besteht aus Tonbandaufnahmen, Videos, Super-8-Filmen, Korrespondenzen, Postkarten, Büchern und Plakaten und dokumentiert jene beispiellose politische Aufbruchsstimmung der 1970er und 1980er Jahre, die im Rahmen der Achberger Symposien und im Umfeld der Free International University wie auch der gesellschaftlich-sozialen Aktivitäten von Joseph Beuys entstand. Aus dieser Bewegung heraus führten wesentliche Impulse zur Gründung der Partei „Die Grünen“.
Gerade in Zeiten, in denen aktivistische Kunstformen, Strategien der „direct action“ und die sogenannte „Socially Engaged Art“ immer stärker an Bedeutung gewinnen, erprobt auch das „Archiv für Soziale Plastik“ neue diskursive Zeigepraxen jenseits des traditionellen Ausstellungskontextes, um diese zugleich wieder zurück zu spiegeln in die Museen.
Das vom Künstler Christoph Salzmann entworfene Archiv-Display verschränkt Kunstforschung, eine künstlerische Archivgestaltung und einen experimentell-performativen Zugang zu gesellschaftspolitischen Themen.
Zum Inhalt des Archivs
Anfang der 1970er Jahre fand in Achberg im Allgäu eine Gruppe von Sozialwissenschaftlern, politischen Aktivisten, Lehrern, Designern und Künstlern zusammen, die unter dem Begriff „Der dritte Weg“ nach alternativen Gesellschaftsmodellen suchten. Ab 1973 fanden dort große Sommerkongresse statt, die inspiriert von dem geistig-politischen Aufbruch dieser Zeit Wirtschafts- und Gesellschaftmodelle jenseits von Kapitalismus und Staats-Sozialismus diskutierten und Ansätze eines ökologischen Humanismus entwickelten. Neben dem Bauhaus-Professor Hoffmann-Lederer, dem Soziologen Wilfried Heidt, Reformern des Prager Frühlings, dem Politikwissenschaftler Ossip K. Flechtheim, dem St. Galler Ökonom Hans Christoph Binswanger und zahlreichen Lehrern und Vordenkern aus der anthroposophischen Bewegung wie Wilhelm Schmundt und Peter Schilinski war Joseph Beuys hierbei regelmäßiger aktiver Teilnehmer. In diesem Rahmen entstanden wesentliche Grundideen für die Gründung der Partei „Die Grünen“ wie auch Überlegungen zum Prinzip der direkten Demokratie und zu neuen Wirtschaftsformen. Nicht zuletzt aber entfaltete Beuys in diesem Umfeld sein Konzept des erweiterten Kunstbegriffs. Das Archiv dokumentiert insofern keinen werkorientierten Blick auf Beuys, wie er in zahlreichen Museen und vor allem im Schloss Moyland zu sehen ist. Es enthält vielmehr Dokumente, die verdeutlichen, wie Beuys Imagination und künstlerische Handlungsformen als entscheidende Kräfte für eine Neugestaltung der Gesellschaft und mithin als ein unverzichtbares Mittel zur sozialen Erneuerung dachte.
Die vom Verleger und Kunstvermittler Rainer Rappmann über Jahrzehnte eigens aufgenommenen und gesammelten Materialien werden nun erstmals einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dies geschieht, indem die Materialien in einem experimentellen, performativen künstlerischen Display, das in der Universität längerfristig präsentiert wird und für Forschungszwecke genutzt werden kann. Für diese Aufgabe konnte der unter dem Label „Fuzzy Space“ arbeitende Künstler Christoph Salzmann gewonnen werden. Salzmann entwickelt seit einigen Jahren künstlerische Archivstrategien, die einen ganz eigenen deutungsoffenen semantischen Kosmos entfalten.
Das „Archiv für soziale Plastik“ wurde als aktivierendes und offenes Archiv gestaltet, das zwischen 2015 und 2018 lang durch Ausstellungen, Lecture Performances, Seminare und Workshops im Rahmen der artsprogram der Zeppelin Universität bespielt wird.
Um das Projekt – neben der Einbettung in die Hochschullehre – weiterhin einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, fand 2016 darüber hinaus eine internationale Tagung zum Thema „Social Sculpture, Activism and Socially Engaged Art“ statt, und 2017 wurden Teile des Archivs in einem Workshop-Raum im Rahmen einer Ausstellung zum Thema „Who Pays?“ im Kunstmuseum Liechtenstein in Vaduz gezeigt. 2019 wird zudem unter dem Titel „The Art of Direct Action. Social Sculpture and beyond“ eine Publikation im Anschluss an das Symposium erscheinen.
Verantwortliche Kuratorinnen: Prof. Dr. Karen van den Berg & Ulrike Shepherd
Zum Symposium "From Social Sculpture to Art Related Action"
Hier finden Sie den Auftritt des Archivs für soziale Plastik auf der Ausstellungsseite des Kunstmuseums Liechtenstein.
12. Oktober 2016 | Studentisches Projekt "Drei Stunden mit Beuys – Einblicke in das Archiv für Soziale Plastik" von Leonore Spemann mit dem Leihgeber Rainer Rappman
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09. Februar 2017 | Ausstellungseröffnung im Kunstmuseum Lichtenstein
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2. März 2017 | Aufführung "Little Pieces" von Studierenden der ZU unter der Leitung von Andrew McNiven und Karen van den Berg
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4. Mai 2017 | Dialogische Führung durch das Archiv - mit Rainer Rappmann und Nico Stockmann
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30. Novmeber 2017 | Workshop mit dem Filme- und Theatermacher Andres Veiel zu seinem Projekt „Welche Zukunft?!“
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