Was ist eigentlich Kunstforschung? Eine „ästhetische Wissenschaft“, meint Kulturwissenschaftler Martin Tröndle – ein Prozess, der das spezifische Wissen und die Kompetenzen von Künstlern nutzt, um sie in anderen Kontexten als dem Kunstsystem zur Anwendung zu bringen. Künstlerische Arbeitsweisen werden mit wissenschaftlichen Kompetenzen verwunden, um problemorientiert neues Wissen zu generieren. Und darüber hat er jetzt ein Buch veröffentlicht.
„Kunstforschung als ästhetische Wissenschaft“ ist denn auch der Titel des Werkes. Darin soll, wie Tröndle in seinem Vorwort schreibt, Kunstforschung nicht per se als künstlerischer Prozess, sondern als „ästhetische Wissenschaft“ betrachtet werden. Es sei kein „Forschen über Kunst“, was in den Zuständigkeitsbereich der Kunstwissenschaften falle, noch ein „Forschen mit Kunst“, was genuin die künstlerische Produktion charakterisiere. „Zentral sind vielmehr Formen der sinnlichen Erkenntnis in einem wissenschaftlichen Kontext zur Generierung neuen Wissens“, sagt Tröndle.
Beispiele zu solch einer „transdisziplinären Hybridisierung“ von Wissenschaft und Kunst finden sich mannigfach in dem Buch: Wie verlaufen die Arbeitsprozesse und was sind die Ergebnisse, wenn Künstler, Architekten, Designer und Nanotechniker in einem Forschungsteam über Jahre zusammenarbeiten, um neue Oberflächenmaterialien zu entwickeln? Warum und wie entstehen hier andere Forschungsergebnisse als in Forscherteams, die allein mit Wissenschaftlern besetzt wären? Und welche Hürden gibt es bei solchen Kooperationen zu überwinden? Was kann eine Physikerin anderes erfahren und vermitteln, wenn sie körperlich als Performerin arbeitet, und was erfährt sie über die Körperlichkeit der Arbeitsprozesse im Labor? Inwiefern führen diese neuen Erfahrungen zu einer anderen Wissensproduktion?
Dass diese Arbeitsweisen fruchtbar sein können, gerade weil sie rein disziplinär geprägtes Denken im Forschungsprozess hinterfragen und so zu anderen Forschungspraktiken führen, zeigt sich auch in einem Forschungsprojekt, das Soziologen, Psychologen, Kunsttheoretiker, Programmierer und Kuratoren zusammenbrachte, die über Jahre zum Thema der Kunstrezeption im Museum arbeiteten.
Ein Ergebnis des Bandes ist: Die Fabrikation von anderem Wissen, was ein allein wissenschaftliches oder künstlerisches Vorgehen nicht vermocht hätte, findet im Forschungsprozess als soziale Praxis selbst statt. Die experimentelle Komponente der Kunstforschung sowie die Materialisierungspraktiken betonen ihren Entwurfscharakter und ermöglichen die Erfahrung der Konstruktion von Wissen und machen die Kritik der Wissenschaftssoziologie – wie sie zum Beispiel von Bruno Latour eingebracht wurde – fruchtbar. Dafür, wie das Potenzial und die Transformation ästhetischen Handelns außerhalb des Kunstfeldes zur Anwendung gebracht werden kann, steht dieser Band.
Martin Tröndle, Julia Warmers (Hg.): „Kunstforschung als ästhetische Wissenschaft. Beiträge zur transdisziplinären Hybridisierung von Wissenschaft und Kunst“, transcript Verlag, Bielefeld, 300 Seiten, ISBN-10: 3-8376-1688-6, EAN: 9783837616880