Wer regelmäßig den Friedrichshafener Lokalteil der beiden ortsansässigen Tageszeitungen durchblättert, ist mit Sicherheit mit dem Namen „welt_raum“ schon bestens vertraut. Dahinter verbirgt sich eine studentische Initiative, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Räume zu ermöglichen, in denen sich Geflüchtete, Bürgerinnen und Bürger begegnen, voneinander lernen und miteinander teilen. Dabei spielen wechselseitige Wertschätzung und der Austausch auf Augenhöhe eine entscheidende Rolle. Neben Aktivitäten wie Tandem-Partys, gemeinsamen Ausflügen oder Vorträgen und Workshops an Schulen stehen für dieses Semester ganz neue Aufgaben und Projekte an.
Die Idee zur Gründung von „welt_raum“ entstand im Frühjahr 2014 bei einem Treffen der studentischen Initiative „Gemeinsam Wohnen“ und der Hochschulgruppe von „Amnesty International“. „Es ging darum, zu besprechen, wie man von studentischer Seite mit dem Flüchtlingsthema umgeht“, erläutert Patrick Lühlow, der zu den Gründungsmitgliedern von „welt_raum“ gehört. Nach ersten Überlegungen wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit dem Thema intensiver auseinandersetzen sollte. „Wir stellten allerdings schnell fest, dass es wenig Sinn macht, ein umfassendes Konzept zu erarbeiten, sondern hielten es für sinnvoller, den direkten Kontakt mit den Geflüchteten zu suchen und in die Flüchtlingsheime zu gehen“, beschreibt Lühlow.
Gesagt, getan: Zwei Wochen später besuchten einige ZU-Studierende das Flüchtlingsheim an der Friedrichshafener Paulinenstraße. Von Anfang an bestand beiderseitiges Interesse, die Begegnungen waren von gegenseitigem Wohlwollen und Respekt geprägt und so verbrachten die ZUler im anschließenden Sommer sehr viel Zeit mit den Flüchtlingen. „Wir haben gemeinsam Fahrradtouren unternommen, Fußballspiele angeschaut oder haben uns auf einen Kaffee oder zum Essen verabredet“, sagt Lühlow. „So bildete sich eine gewisse Vertrauensbasis und es entwickelten sich erste persönliche Beziehungen.“ Aus den Erfahrungen wiederum entsprangen nach und nach erste konzeptionelle Ansätze: Die Idee, Räume zu schaffen, die Begegnungen und den interkulturellen Austausch zwischen Geflüchteten, Bürgerinnen und Bürgern zu fördern, war geboren. Um eine Brücke zu schlagen zwischen den Menschen, initiierten die ZU-Studierenden zwei unterschiedliche Veranstaltungsformate: Zum einen Tandem-Partys, zum anderen Ausflüge.
Neben der Organisation und Realisierung von Events bildete von Anfang an die Netzwerkarbeit einen festen Bestandteil im Konzept von „welt_raum“. „Wir sind auf kommunaler Ebene sehr gut vernetzt, was unter anderem dazu führt, dass die Stadt Friedrichshafen unsere Ausflüge finanziert und die Ladies des Lions Club Friedrichshafen unsere Aktivitäten fördern, wofür wir ungemein dankbar sind“, erwähnt Franziska Lienert, die seit anderthalb Jahren bei „welt_raum“ aktiv mitwirkt. „Darüber hinaus stehen wir in engem und regem Erfahrungsaustausch mit Vereinen und Initiativen aus der gesamten Region und sind in der ,Netzwerkstelle Friedrichshafen‘ und im ,Netzwerk Bürgerschaftliches Engagement Bodenseekreis‘ vertreten.“ Hinzu kommen Partnerschaften mit der ortsansässigen Musikschule, der Volkshochschule und dem VfB Friedrichshafen sowie mit weiteren studentischen Projekten und Initiativen wie dem „Seekult“-Festival oder dem Hochschulsport – nicht zu vergessen „Die Blaue Blume“, mit der zuletzt eine transkulturelle Weihnachtsfeier auf die Beine gestellt wurde.
Zudem ist in Partnerschaft mit dem artsprogram in den vergangenen Monaten das Projekt „Learning Community“ entstanden, das in diesem Semester umgesetzt werden soll. Dabei geht es um die Schaffung eines Raumes, der Impulse zur Reflexion über neue Formen des zukünftigen Zusammenlebens ermöglichen und in diesem Kontext Workshops anbieten möchte.
Gemeinsam mit den beiden Hochschulgruppen „Rework“ und „Amnesty International“, aber auch mit Initiativen wie „Immigreat“, die sich auf die Arbeitsvermittlung von Flüchtlingen spezialisiert hat, beteiligt sich „welt_raum“ in einer von der ZU initiierten Arbeitsgruppe. Diese trägt den Titel „Learning Network | LeNe“. Damit reagiert die ZU auf den Umstand, dass mehr als 250 Flüchtlinge in die ehemalige Container Universität im Fallenbrunnen einziehen. „In dieser Arbeitsgruppe wird konzipiert und implementiert, wie die Geflüchteten in den Uni-Alltag integriert werden können“, erläutert Lühlow.
In einem ständigen Prozess steckt auch „welt_raum“. „Der Fokus unserer Aktivitäten wie unser Konzept verschieben sich kontinuierlich“, erwähnt Lühlow. „In der Anfangszeit konzentrierte sich alles auf die Begegnungen, doch seit Kurzem setzen wir zunehmend auch Bildungsprojekte um.“ So besuchten Mitglieder von „welt_raum“ mehrere lokale Schulen, um dort Vorträge zu halten und kürzlich sogar in Zusammenarbeit mit dem Eine-Welt-Laden einen interaktiven Workshop zu den Fragen „Was ist Flucht?“ und „Wer flüchtet und warum?“ anzubieten. „Außerdem bringen wir den Schülern unseren Ansatz und unsere Ideen näher und berichten von unseren Erlebnissen“, fügt Lühlow hinzu.
Nicht nur Flüchtlinge werden demnächst die Räumlichkeiten der ehemaligen Container Universität mit Leben füllen, sondern auch „welt_raum“ selbst: Im Hangar hat die Initiative einen Raum zur Verfügung gestellt bekommen. „Damit ergeben sich automatisch neue Möglichkeiten wie die Erweiterung des Organisationsteams um Geflüchtete“, sagt Lienert. Überhaupt wird das Angebot von „welt_raum“ von den Flüchtlingen ausgesprochen gut angenommen, doch wie steht es mit den Bürgerinnen und Bürgern? „Wir haben noch Schwierigkeiten damit, die Bürgerinnen und Bürger für unsere Initiative zu begeistern und mit unserer Arbeit zu erreichen“, räumt Lühlow ein. „Dennoch befinden wir uns auf einem guten Weg. So nimmt die Zahl der Teilnehmer an den Veranstaltungen von Mal zu Mal zu.“
Wer bei „welt_raum“ mitwirken möchte, kann das jederzeit tun. „Bei uns erhält jeder die Gelegenheit mitzugestalten und die Organisation weiterzuentwickeln. Es ist aber auch möglich aktiv zu sein, ohne in der Organisation direkt mitzuwirken. Unsere Kooperation mit den Friedrichshafener Integrationsklassen ist da ein gutes Beispiel: Hier können Bürgerinnen und Bürger Lehrer aktiv im Schulkontext unterstützen“, legt Lienert dar.
Alle weiteren Infos zur studentischen Initiative „welt_raum“ unter www.welt-raum.org