Wortgewandt, empathisch und professionell: So hat man die Moderatorin Katharina Koerth bei der Begrüßungsfeier für die neue Präsidentin Insa Sjurts erlebt. Kein Wunder, immerhin ist die 21-Jährige Gründerin und Vorstandsmitglied des Debattierclubs an der ZU, einem Format, das der studentischen Initiative „The Soapbox – Club für Rhetorik und Debating“ angehört. Dort gibt die Studierende des Bachelor-Studiengangs „Sociology, Politics & Economics“ ihr Wissen rund ums Präsentieren und Argumentieren an ZU-Studierende weiter.
Doch vor einem großen Publikum sicher und selbstbewusst aufzutreten, das musste sich auch Katharina Koerth erst erarbeiten. „Ich war ein schüchternes Kind", erinnert sie sich. Das änderte sich jedoch nach dem Eintritt in den international renommierten Mädchenchor Hannover im Alter von neun Jahren. Eines ihrer ersten großen Konzerte war die imposante „Carmina Burana“ von Carl Orff: „Als der letzte Ton gesungen war, hätte man eine Nadel fallen hören können. Dann setzte der Applaus ein, und die Spannung im Raum löste sich in Begeisterung auf. In diesem Moment wusste ich, dass ich Menschen zusammenbringen möchte und dass Musik die universellste Sprache dafür ist.“ Es folgten Chorwettbewerbe und Konzertreisen unter anderem nach Estland, Frankreich und Belgien. „Das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Bühnenerfahrung haben mein Selbstvertrauen auf jeden Fall gestärkt“, sagt Koerth.
Abseits der Musik sammelte sie erste Erfahrungen im Projektmanagement. So übernahm sie die Regieassistenz bei einer für den Mädchenchor Hannover komponierten Oper: „Die Arbeit hat wirklich Spaß gemacht. Die Herausforderung bestand darin, dass von den 200 Mädchen kaum eine Schauspielerfahrung besaß und die Bühne komplett offen war, das heißt ohne Rückzugsraum. Alle waren extrem gefordert. Aber es war eine tolle Erfahrung, zwischen Regie, Dirigentin und Chor zu vermitteln und am Ende das Gefühl genießen zu können, gemeinsam etwas auf die Beine gestellt zu haben.“
Dass die Mezzosopranistin zum gesprochenen Wort in den Debattierclub Hannover wechselte, lag auch an ihrer ersten sechsmonatigen Auslandserfahrung, die sie mit 15 Jahren bei einer Gastfamilie in Frankreich sammelte: „Meine Gastfamilie lebte am Existenzminimum, und die Bildung meiner vier Gastgeschwister war ihre einzige Aufstiegschance. Darüber haben wir viel diskutiert. Zurück in Deutschland entdeckte ich das Debattieren als Möglichkeit, mich mit solchen gesellschaftlichen Fragestellungen intensiver auseinanderzusetzen.“
Nach dem Abitur bewarb sich Koerth erfolgreich bei der University of Manchester um einen Studienplatz. „Die Freiheit und Selbstständigkeit, die ich in Frankreich erfahren hatte, wollte ich wieder“, erklärt Koerth. Es folgten zwei längere Auslandsaufenthalte in England, eine Konzertreise in die USA und schließlich doch die Entscheidung für den Bodensee: „Letztlich habe ich mich für die ZU entschieden, weil sie eine kleine Universität ist und ich damit die Hoffnung verband, mich und meine Interessen besser einbringen zu können. Das wäre an der sehr viel größeren University of Manchester mit ihren bestehenden festen Strukturen sicher so nicht möglich gewesen“, erläutert Koerth. Ihre Person und ihre Ideen an der ZU einzubringen, gelang ihr ziemlich schnell: Beim Kickern lernte sie die Gründer des Rhetorikclubs kennen und gründete kurz darauf den Debattierclub, der in die bereits vorhandene studentische Initiative eingegliedert wurde. Seither trägt sie den Namen „The Soapbox – Club für Rhetorik und Debating“.
Regelmäßig treffen sich nun ZU-Studierende, um ihre Fähigkeiten in Argumentation, Moderation, Präsentation sowie freier und vorbereiteter Rede zu verbessern. „Rhetorik klingt für viele trocken und langweilig. Das dachte ich zuerst auch“, gesteht die ausgebildete Debattiertrainerin ein. „Dabei kann man genau bei uns üben, wie die nächste Rede nicht zur unfreiwilligen Gute-Nacht-Geschichte wird.“
Neben den beiden Clubformaten „Rhetorik“ und „Debating“ organisiert „The Soapbox“ in Kooperation mit anderen studentischen Initiativen und der Stadt Friedrichshafen diverse Veranstaltungen: Von der „Offenen Lesebühne“, die bald zum zweiten Mal im Rahmen des Literaturherbstes in Friedrichshafen stattfinden wird, über gemeinsam mit der „ZUfo“ organisierte wissenschaftliche Tischgespräche beim „Research Day“ bis hin zum „Rhetorik Slam“, einer Mischung aus TED-Talks und Poetry Slam. „Die Veranstaltungen basieren oft auf einer verrückten Idee. Anschließend überlegen wir, ob und wie wir die Idee umsetzen können und suchen dann nach Kooperationspartnern“, erläutert Koerth. Für das nächste Großprojekt laufen die Vorbereitungen bereits auf Hochtouren: Im Oktober wird „The Soapbox“ die Baden-Württembergische Meisterschaft im Hochschuldebattieren ausrichten. „Wir erwarten an der ZU rund 70 Studierende von den Debattierclubs aus ganz Baden-Württemberg“, führt Koerth aus. „Das öffentliche Finale verspricht eine spannende Debatte für Häfler und ZUler.“
Was das Studium anbelangt, so legt die Stipendiatin des Deutschlandstipendiums im nächsten Semester ein Praxissemester ein, absolviert unter anderem ein Praktikum beim Russlandbeauftragten der Bundesregierung, Gernot Erler. Ein logischer Schritt für Katharina Koerth: „Ich bin überzeugt, dass Veränderung nur eintreten kann, wenn Menschen miteinander reden. Das gilt im Kleinen genauso wie im Großen, in der Familie wie in der Gesellschaft und damit vor allem in der Politik.“ Auch deshalb möchte sie ihre Forschungsarbeit in der StudentStudy „Außen- und Sicherheitspolitik“ im Rahmen des Praktikums zur Kommunikation der größten EU-Staaten im Ukraine-Konflikt schreiben.
Nächstes Jahr führt sie der Weg nach Japan an die Ritsumeikan Asian Pacific University, wo sie ihr Auslandssemester verbringen wird. „Ich versuche, während des Studiums so viel wie möglich mitzunehmen und kennenzulernen“, sagt Koerth, „sowohl unterschiedliche Perspektiven auf wissenschaftliche Themen als auch andere Kulturen und Länder.“
Nach ihrem Studium möchte die 21-Jährige gerne einen Master im Ausland absolvieren, bevor sie in die Berufswelt einsteigt. „Es gibt so viele Möglichkeiten, Kommunikation zum Beruf zu machen. Dass im Bereich ,Rhetorik‘ in Deutschland Nachholbedarf besteht, sieht man schon daran, dass sich einerseits über langweilige Reden beschwert wird, andererseits aber sofort Skepsis aufkommt, wenn jemand durch gute Rhetorik auffällt. Ganz in der Annahme, dass gute Redner sicher nur über fehlende Inhalte hinwegtäuschen wollen. Dieses Paradox muss nicht sein. Ich möchte auf jeden Fall Menschen dazu bringen, bewusster miteinander zu sprechen, über sich und über Inhalte. Nur so können wir individuell, vor allem aber auch als Gesellschaft vorankommen.“