Angst, Abscheu und Ressentiment sind die negativen Emotionen, aus denen populistisches Gedankengut und Autoritarismus erwachsen, schreibt die Soziologin Eva Illouz in ihrem jüngsten Buch „Undemokratische Emotionen“. Gerade in Zeiten wachsender rechtpopulistischer Bewegungen, wachsendem Antisemitismus und Islamophobie wird immer deutlicher, dass diese pathologischen Gefühle Demokratien nicht äußerlich sind. Vielmehr sind dies Emotionen, die immer schon im Inneren sozial mobiler moderner Demokratien wirksam waren und diese zugleich von innen heraus aushöhlen. Sie nähren sich aus dem drohenden Verlust von Privilegien und der Gefahr sozialen Abstiegs. Und sie formen Subjekte und imaginierte Gemeinschaften, die aus diesen negativen Emotionen Besitzansprüche und vermeintliche Sonderrechte auf bestimmte soziale Räume und Lebensformen ableiten - ein Phänomen, das die Philosophin Eva von Redecker „Phantombesitz“ nennt.
Sind soziale Mobilität und Aufstiegsversprechen also die Systemfehler westlicher Demokratien? Verursachen sie jene sozialen Pathologien, die in der gegenwärtigen historischen Konstellation nun immer deutlicher hervortreten? Wie hängen Aufstiegsversprechen, Neo-Autoritarismus, Vorstellungen von Besitzansprüchen, Rassismus und Sexismus zusammen? Was triggert jene Polarisierungsdynamiken, die gegenwärtig auch innerhalb von sozialen Bewegungen zu Tage treten?
Unter dem Jahresthema Being Wrong, beleuchtet das artsprogram im Fall Term 2023 diese Fragen im Rahmen des Symposiums „Angst, Ressentiment, Spaltung“, das Teil eines umfangreichen Programms ist, zu dem unter anderem auch die Ausstellung Whiteface von Candice Breitz und eine Podiumsveranstaltung mit der Soziologin Eva Illouz zählt.
Das von Studierenden der Zeppelin Universität co-kuratierte deutsch- und englischsprachige Symposium befasst sich in Vorträgen, Gesprächen, Workshops mit Gefühlen, Praktiken und Bildwelten, die populistischem Gedankengut und Autoritarismus zugrunde liegen und gewaltvolle gesellschaftliche Spaltungen provozieren. Beitragende sind die Philosophin Eva von Redecker, die Künstlerin Candice Breitz, die Schriftstellerin Asal Dardan und die Kuratorin Maria Hlavajova. Diese diskutieren hier in unterschiedlichen Formaten über die Bedeutung von Bildpraktiken und die Rolle, die Kunstinstitutionen, ästhetische Erfahrungen und aktivistische und soziale Praktiken im Kontext der Auseinandersetzung mit Hass und Ressentiment spielen oder spielen könnten.
Angesichts des Siegeszugs rechtspopulistischer und neo-faschistischer Parteien und Bewegungen und den damit im Zusammenhang stehenden rassistische und antisemitische Gewalttaten, wie jene in Hanau oder Halle, sollen drei Themenfelder diskutiert werden: Erstens wird es um künstlerische Analysen der Herstellung von Feindbildern in unterschiedlichen Medien gehen und darum, welche emotionalen Grammatiken diesen Feindbildern zugrunde liegen. Zweitens wird befragt, welche Vorstellungswelten, Gefühle und Haltungen beim Kampf gegen rechte Ideologien, Praktiken und Denksysteme hinderlich sind und welche solidarisierend wirken. Und drittens wird beleuchtet, welche aktivistischen und künstlerischen Mittel, Praktiken und Handlungsstrategien eine Gegenmacht gegen die Polarisierungstendenzen erzeugen können. In allen drei Themenfeldern stehen künstlerische und Herangehensweisen an die Thematik im Zentrum. Das Symposium möchte beleuchten, welche Instrumente und Mittel derzeit im Kunstfeld und in kunstbezogenen anti-faschistischen und anti-rassistischen Protestbewegungen entstehen und welche Rolle diese Instrumente im Kampf gegen eine Gesellschaftsform spielen könnten, die sich auf Hass, Ressentiment und Othering stützt. Welche Geschichten, Bilder und Handlungsformen werden von Aktivist:innen und Künstler:innen für ein Zusammenleben ohne Faschismus entwickelt? Welche Analyseinstrumente bieten die Kunst und Wissenschaft in diesem Zusammenhang? Und wo stehen sich die Akteur:innen in Aktivismus, Kunst und Wissenschaft im Wege? In drei Workshops, die sich an Aktivist:innen, Studierende und Forscher:innen aus Wissenschaft und Kunst richten, soll zur Reichweite forschender, solidarisierender oder kämpferischer Praktiken gearbeitet werden.
Im Rahmen des Jahresthemas Being Wrong gruppieren sich die Veranstaltungen im Herbstsemester 2023 um die Ausstellung Whiteface, die seit September 2023 in der White Box, dem Ausstellungs- und Projektraum des artsprogram, zu sehen ist und in der die gleichnamige Videoinstallation von Candice Breitz zeigt wird. In dieser Arbeit konfrontiert die südafrikanische Künstlerin sich und ihre Betrachter:innen mit Perspektiven weißer Menschen auf Weißsein. Sie zeigt Gesten der Immunisierung weißer Personen im Angesicht des weltweiten Rufs nach ihrer Deprivilegierung. Das vielschichtige Re-Enactment von Debattenfragmenten führt dabei ressentimentgeladene und mehr oder weniger verdeckte rassistische Argumentationsmuster vor Augen, wie sie in unterschiedlichen Medien kursieren. Es bringt das ganze Spektrum von einem teilweise absurd wirkenden Angegriffen-Sein bis hin zu in Wut umschlagenden Schuldgefühlen zur Aufführung – jene Emotionen also, aus denen Ressentiments, groteske Abwehrhaltungen und schließlich auch gefährliche Hassreden erwachsen.
Begleitet wird diese Ausstellung von einer Study-Group, in der sich Studierende und Lehrende mit der Rolle der Kunst im Spannungsfeld zwischen Privilegienkritik, struktureller Gewalt und solidarischem Engagement befassen. Am 31. Oktober diskutieren die ZU-Professor:innen Eva Illouz und Simon Koschut in einer öffentlichen Podiumsveranstaltung über die emotionale Grammatik und die Gefühlspolitik rechtspopulistischer Bewegungen und deren Nähe zu politisch motivierten Gewaltexzessen. Diese inhaltlichen Auseinandersetzungen verdichten sich dann in dem experimentellen Symposium „Angst, Ressentiments, Spaltung“, welches am 29. u. 30.11.2023 die Philosophin Eva von Redecker, die Künstlerin Candice Breitz, Kuratorin Maria Hlavajova, die Schriftstellerin Asal Dardan und weitere Gäste aus Wissenschaft, Kunst und Aktivismus zusammen bringt, um gemeinsam mit Studierenden und einer interessierten Öffentlichkeit den Verbindungslinien zwischen Abstiegs- und Zukunftsängsten, Abscheu, Radikalisierung und phantasmatischen Besitzvorstellungen nachzugehen.
19:00h
Begrüßung
19:30h | Black Box
Some of My Best Friends are White | Artist Talk mit Candice Breitz (en)
20:30h
TDD (Tischlein deck Dich)
09:00h
Check-In
10:00h | Black Box
Begrüßung Spöhrer, van den Berg & Studierende des kuratieren Kurses (en)
10:20h | Black Box
The Heart of Whiteness | Candice Breitz (en)
10:50h | Black Box
Propositions for Non-Facist Living | Maria Hlavajova (en)
11:20h
Pause
11:30h | Black Box
Gemeinschaft ohne Wir | Asal Dardan (de)
12:00h | Black Box
Conversation (de|en)
12:30h
Pause
13:30h - 16:30h | Seminar Rooms
Workshop
1) Propositions for Non-Facist Living | Maria Hlavajova (en)
2) The Heart of Whiteness | Candice Breitz (de|en)
3) Gemeinschaft ohne Wir: Gesellschaftliche Solidarität als widerständige Praxis | Asal Dardan (de)
16:30h
Pause
17:00h | Black Box
Sharing and Conversation (de|en)
18:00h
Pause
18:30h | White Box | ZF-Campus
In View: Whiteface | Candice Breitz
19:00h | Black Box
Eva von Redecker | Phantombesitz oder geteiltes Leben (de)
20.00h | Black Box
Moderiertes Gespräch Eva von Redecker & Candice Breitz (en)
Dauerausstellung
Sound Is the [REDACTED] of the World | Bola Chinelo
SHIFT | Elena Ziegler & Hannah Runge
Localizing Whiteface | "Was machen Nazis hier?" | Allgäu ⇏ rechtsaußen
de: deutschsprachig
en: englischsprachig
Alle Public Talks sind öffentlich und können ohne Voranmeldung besucht werden.
Some of My Best Friends are White
29.11.23 um 19:30 | Black Box Zeppelin Universität
In dem Artist Talk „Some of My Best Friends are White“ spricht die renommierte Künstlerin Candice Breitz ausgehend von ihrer künstlerischen Arbeit „Whiteface“ (2022) , die aktuell in der White Box der Zeppelin Universität zu sehen ist, über das Konstrukt des Weißseins und weitere rassifizierter Kategorien. Sie adressiert die gefährlichen Fiktionen, welche weiße Vorherrschaft zugrunde liegen und fragt, wie diese gewaltvolle Ideologie mit künstlerischenMethoden durchleuchtet werden können und was Kunst dieser Ideologie entgegensetzen kann.
Die Videoinstalltion „Whiteface“ (2022), die das artsprogram im Rahmen des Jahresthemas „Being Wrong“ vom von September bis Dezember 2023 ausstellt, befasst sich mit rassistischen Klischees, Redeweisen und Argumentationsmustern wie sie alltäglich in den Massenmedien zirkulieren und dort vergiftete Resonanzräume und Identifikationsangebote ausbilden. In der Arbeit collagiert und reinszeniert die südafrikanische Künstlerin Perspektiven weißer Menschen auf Weißsein und zeigt Gesten der Immunisierung weißer Personen im Angesicht des weltweiten Rufs nach ihrer Deprivilegierung.
Biografie
Candice Breitz (geboren 1972 in Johannesburg) ist eine in Berlin ansässige Künstlerin. Ihre Videoinstallationen wurden international gezeigt. Während ihrer gesamten Laufbahn hat Breitz die Dynamik erforscht, durch die ein Individuum zu sich selbst in Bezug auf eine größere Gemeinschaft wird, sei es die unmittelbare Gemeinschaft, der man in der Familie begegnet, oder die realen und imaginierten Gemeinschaften, die nicht nur durch Fragen der nationalen Zugehörigkeit, der Rasse, des Geschlechts und der Religion, sondern auch durch den zunehmend unleugbaren Einfluss der Mainstream-Medien wie Fernsehen, Kino und anderer Populärkultur geprägt sind. In jüngster Zeit konzentrierte sich Breitz' Arbeit auf die Bedingungen, unter denen Empathie erzeugt wird, und reflektierte über eine mediengesättigte globale Kultur, in der eine starke Identifikation mit fiktiven Charakteren und prominenten Persönlichkeiten mit einer weit verbreiteten Gleichgültigkeit gegenüber der Notlage derjenigen einhergeht, die in der realen Welt mit Widrigkeiten konfrontiert sind. Im Jahr 2022 schloss sie die White Noise Trilogy ab, ein Trio von Mehrkanal-Videoinstallationen, das Love Story (2016), TLDR (2017) und Whiteface (2022) umfasst.
Breitz hat Abschlüsse von der University of the Witwatersrand (Johannesburg), der University of Chicago und der Columbia University (NYC). Sie hat am Independent Studio Program des Whitney Museums teilgenommen und leitete 2005-2006 als Gastkünstlerin die Residenz "Le Pavillon" des Palais de Tokyo. Seit 2007 ist sie Professorin an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig.
Foto: Tobias Zielony
Phantombesitz oder geteiltes Leben
30.11.23 um 19:00 | Black Box Zeppelin Universität
Was ist überhaupt Rassismus? Welche unterschiedlichen Formen nimmt er an und warum ist er so zentral für autoritäre Politik, wie sie derzeit global erstarkt? In ihrem Vortrag erläutert die Philosophin Eva von Redecker einige der Dynamiken, die moderne Identitäten prägen und politische Mobilisierung steuern. Sie zeigt, wie eng weiße Vorherrschaft mit der Durchsetzung der kapitalistischen Eigentumsordnung zusammenhängt und inwiefern individueller Rassismus als Ausdruck von Privilegien dennoch ein Zeichen von Ohnmacht ist. Vor dem Hintergrund dieser Analyse lässt sich aber auch nachzeichnen, dass viele Protestbewegungen der Gegenwart aktiv der Abwertung und Zerstörung von Leben entgegenarbeiten. Als Gegenentwurf zum aggressiven Phantombesitz weist das solidarische Teilen dabei auf andere Formen des planetaren Zusammenlebens voraus.
Biografie
Eva von Redecker lebt als Philosophin und Autorin im ländlichen Brandenburg und schreibt über Eigentum, sozialen Wandel und manchmal sogar Leben und Tod. Ihr jüngstes Buch, Bleibefreiheit (S.Fischer 2023), nimmt sich angesichts der ökologischen Krise des Freiheitsbegriffs an und schlägt vor, diesen in Zukunft vermehrt zeitlich anstatt räumlich zu verstehen. Im September 2020 erschien Revolution für das Leben (S.Fischer), das Kapitalismuskritik mit einer Philosophie neuer Protestformen verbindet. Eva von Redecker ist seit April 2023 feste Kolumnistin des Philosophiemagazins und moderiert am Schauspiel Köln die Gesprächsreihe „Eva and The Apple“.
Foto: Philipp Plum
Für die Workshops melden Sie sich bitte unter "Registration und Anfahrt" an. Eine Teilnahme an den Workshops ohne Anmeldung ist nicht möglich.
To Hold the Ground for the Not-Yet
Da die Besorgnis über die überbordenden Leidenschaften von "Angst, Ressentiments und Spaltung" uns zu diesem Symposium ruft, möchte ich laut über die ästhetisch-politischen Optionen nachdenken, die uns aus der Perspektive einer Kunstinstitution zur Verfügung stehen, die einerseits theoretisch informiert und andererseits politisch von der Sehnsucht nach Wahrheit angetrieben ist, für uns und für die Welt (nach Marina Garces). Auf der Suche nach der Kritik als Vorschlag in einer Zeit, die uns durch ihre Forderung, unablässig auf einen ständigen Angriff von zusammengesetzten Katastrophen und Dringlichkeiten zu reagieren, erschöpft, werde ich fragen, was nötig wäre, um stattdessen den Boden für das Not-Yet zu bereiten. Da wir unsere Zeit als eine Zeit des katastrophalen Streits um Fakten, Kollektivität und die Möglichkeit eines lebenswerten Lebens in der heutigen Welt verstehen, werde ich nach Praktiken des Denkens, der Vorstellung und des sozialen Handelns fragen, die gleichzeitig Widerstand und Vorstellungskraft einsetzen. Ich werde mich auf künstlerische Praktiken stützen, die in, aus oder neben den Forschungsprojekten von BAK entstanden sind, darunter Former West (2018-2016) und Propositions for Non-Fascist Living (2017-fortlaufend).
Wenn "sich behaupten" bedeutet, auf einem Argument oder einer Vorstellung zu beharren, trotz der vorherrschenden Stimmungen rundherum - wobei der wachsende Rechtspopulismus der vorliegende Fall ist -, wird der Workshop die oben genannten Thesen erweitern. Wir werden versuchen, dies zu tun, indem wir ein kollektives Instrumentarium entwickeln, um durch das Beharren auf Fakten und die Möglichkeit der Wahrheit den Boden für das Not-Yet zu bereiten und kollektive Wege zu finden, sich die Welt anders vorzustellen und sie so zu leben, als ob dies möglich wäre.
Dieser Workshop wird auf Englisch stattfinden.
Biografie
Maria Hlavajova ist Organisatorin, Forscherin, Pädagogin, Kuratorin und Gründungsdirektorin und künstlerische Leiterin von BAK, basis voor actuele kunst, Utrecht (seit 2000). Zwischen 2008 und 2016 war sie wissenschaftliche und künstlerische Leiterin des kollaborativen Forschungs-, Ausstellungs- und Bildungsprojekts FORMER WEST, das in der Publikation Former West: Art and the Contemporary After 1989 (Mitherausgeberin zusammen mit Simon Sheikh, 2016). Hlavajova hat zahlreiche Projekte bei BAK und darüber hinaus initiiert und (mit-)organisiert, darunter die Reihe Propositions for Non-Fascist Living (2017-fortlaufend), Future Vocabularies (2014-2017), New World Academy (mit Jonas Staal, 2013-2016), neben vielen anderen internationalen Forschungs-, Bildungs-, Ausstellungs- und Publikationsprojekten. Zu ihren kuratorischen Arbeiten gehören Call the Witness, Roma Pavilion, 54th Venice Biennale, Venedig, 2011; Citizens and Subjects, Dutch Pavilion, 52nd Venice Biennale, Venedig, 2007; und Borderline Syndrome: Energies of Defense, Manifesta 3, Ljubljana, 2000. Zu den Publikationen, die sie (mit-)herausgegeben hat, gehören: Fragments of Repair (mit Kader Attia und Wietske Maas, erscheint 2023); Toward the Not-Yet: Art as Public Practice (mit Jeanne van Heeswijk und Rachael Rakes, 2021); Deserting from the Culture Wars (mit Sven Lütticken, 2020); Propositions for Non-Fascist Living: Tentative and Urgent (mit Wietske Maas, 2019); Posthuman Glossary (mit Rosi Braidotti, 2018); und Marion von Osten: Once We Were Artists (mit Tom Holert, 2017), u.a.. Sie ist Dozentin an der HKU University of the Arts Utrecht, Utrecht, und der Academy of Fine Arts and Design, Bratislava. Darüber hinaus ist Hlavajova Mitbegründerin (mit Kathrin Rhomberg) des tranzit network. Hlavajova ist Mitglied des Aufsichtsrats der Akademie der Bildenden Künste, Prag, und des Beirats der Bergen Assembly, Bergen, des Art and Culture Program der Freien Universität, Amsterdam, und von IMAGINART, Imagining Institutions Otherwise: Art, Politics, and State Transformation, Universität Amsterdam, Amsterdam. In der jüngeren Vergangenheit war Hlavajova Mitglied der Aufsichtsräte der European Cultural Foundation, Amsterdam und des Stedelijk Museum, Amsterdam. Sie lebt und arbeitet in Amsterdam und Utrecht.
Foto: Tom Janssen
The Heart of Whiteness
Welche Muster und konstituieren, manifestieren und verstetigen weiße Vorherrschaft in populären Medien? Auf welche Weise verbreiten sich rassistische Ideologien in Online-Foren? Wie können künstlerische Praktiken gewaltvolle Bildsprachen decodieren und ihnen entgegenwirken?
Der Workshop lädt dazu ein, sich mit der Macht der Bilder zu beschäftigen. Wir werden ihr politisches Potenzial zu trennen und zu verbinden beleuchten und der Frage nachgehen, wie künstlerische Praktiken die weiße Vorherschaft analysieren und unterlaufen können. Dabei werden wir uns mit der Konstruktion und Distribution rassistischer Feindbildner im Netz befassen und diskutieren, wie diese Emotionen befeuern und welche.
Anhand konkreter Beispiele werden die Teilnehmer:innen herausarbeiten, welche Fiktionen und Emotionen den Vorstellungen von weißer Vorherrschaft zugrunde liegen, wie diese Ideologien durch Online-Foren spuken und den Nährboden für Rechtsradikalisierung und Extremismus bilden. Darüber hinaus werden wir uns mit künstlerischen Praktiken und Werken befassen, die diese Mechanismen analysieren und entschlüsseln.
Dieser Workshop wird auf Englisch stattfinden.
Biografie
Candice Breitz (geboren 1972 in Johannesburg) ist eine in Berlin ansässige Künstlerin. Ihre Videoinstallationen wurden international gezeigt. Während ihrer gesamten Laufbahn hat Breitz die Dynamik erforscht, durch die ein Individuum zu sich selbst in Bezug auf eine größere Gemeinschaft wird, sei es die unmittelbare Gemeinschaft, der man in der Familie begegnet, oder die realen und imaginierten Gemeinschaften, die nicht nur durch Fragen der nationalen Zugehörigkeit, der Rasse, des Geschlechts und der Religion, sondern auch durch den zunehmend unleugbaren Einfluss der Mainstream-Medien wie Fernsehen, Kino und anderer Populärkultur geprägt sind. In jüngster Zeit konzentrierte sich Breitz' Arbeit auf die Bedingungen, unter denen Empathie erzeugt wird, und reflektierte über eine mediengesättigte globale Kultur, in der eine starke Identifikation mit fiktiven Charakteren und prominenten Persönlichkeiten mit einer weit verbreiteten Gleichgültigkeit gegenüber der Notlage derjenigen einhergeht, die in der realen Welt mit Widrigkeiten konfrontiert sind. Im Jahr 2022 schloss sie die White Noise Trilogy ab, ein Trio von Mehrkanal-Videoinstallationen, das Love Story (2016), TLDR (2017) und Whiteface (2022) umfasst.
Breitz hat Abschlüsse von der University of the Witwatersrand (Johannesburg), der University of Chicago und der Columbia University (NYC). Sie hat am Independent Studio Program des Whitney Museums teilgenommen und leitete 2005-2006 als Gastkünstlerin die Residenz "Le Pavillon" des Palais de Tokyo. Seit 2007 ist sie Professorin an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig.
Foto: Tobias Zielony
Gemeinschaft ohne Wir: Gesellschaftliche Solidarität als widerständige Praxis
Seit 2013 findet jährlich eine Gedenkveranstaltung unter dem Namen „Möllner Rede im Exil“ statt. Sie wurde von İbrahim Arslan, einem der Überlebenden des Brandanschlags vom 23. November 1992 in Mölln, als kritische Auseinandersetzung mit dem offiziellen Gedenken der Stadt ins Leben gerufen. Sie steht auch als Zeichen des Widerstands gegen eine deutsche Kontinuität der rechtsextremen Gewalt und ihrer gesellschaftlichen Folgen, symbolisch zusammengefasst in den Städtenamen Mölln, Solingen, Rostock-Lichtenhagen, Halle und Hanau. Ausgehend von dieser Veranstaltung beschäftigen wir uns mit der Frage, wie gesellschaftlicher Widerstand gegen strukturelle und alltägliche Diskriminierung geleistet werden kann und dabei gleichzeitig der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt wird. Im Zentrum unseres Workshops steht der scheinbare Widerstreit zwischen einem universalistischen Humanismus und einer auf das partikulare fokussierten Identitätspolitik und die Frage, wie Solidarität aussehen kann, wenn sie als Praxis verstanden wird.
Dieser Workshop wird auf Deutsch stattfinden.
Biografie
Asal Dardan, studierte Kulturwissenschaften in Hildesheim und Nahoststudien in Lund. Für ihren Text Neue Jahre wurde sie mit dem Caroline-Schlegel-Preis für Essayistik ausgezeichnet. Ihr Essayband Betrachtungen einer Barbarin war für den Deutschen Sachbuchpreis 2021 und den Clemens-Brentano-Preis 2022 nominiert. Im Mai 2023 hielt sie die erste Erika Mann Lecture an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie lebt in Berlin und auf der schwedischen Insel Öland.
Sound Is the [REDACTED] of the World
Sound Is the [REDACTED] of the World ist ein interaktives Audio- und visuelles Projekt, bei dem "unerwünschte" Hintergrundgeräusche im Mittelpunkt stehen. Als visuelle und klangliche Neuinterpretation zeitgenössischer Musik-Playlists bietet dieses Projekt ein nicht-lineares Hörerlebnis, das von der zufälligen und chaotischen Art und Weise inspiriert ist, in der Klang im wirklichen Leben auftritt. Mit Hilfe von Feldaufnahmen, Datensonifikation, Bioakustik und akusmatischem Audio werden die Zuhörer eingeladen, die Texturen und die Komplexität von Klängen zu erkunden, die oft als Hintergrundgeräusche unseres täglichen Lebens angesehen werden.
Biografie
Bola Chinelo ist eine Mixed-Media-Künstlerin, die ihren Bachelor of Arts an der UC Berkeley erworben hat. Chinelo verwendet in ihren Arbeiten klangliche, ikonografische und esoterische Symbolik, um Botschaften zu vermitteln. Chinelo erhielt Stipendien und/oder Unterstützung von der Akademie Schloss Solitude, der Processing Foundation, Tin House, Periplus Collective und dem Watering Hole und wurde in ContemporaryAnd und Obsidian vorgestellt: Literatur und Kunst in der afrikanischen Diaspora.
Foto: Bola Chinelo
TDD (Tischlein deck Dich)
TDD ist ein nomadisches Dinner-Club-Kollektiv, welches 2007 von Gülsüm Güler & lnci Güler gegründet wurde. Die Treffen finden meist in temporär genutzter Architektur statt, wo eine gemeinsame Restaurantatmosphäre geschaffen wird. Das Team besteht aus Künstler:innen, die in den Bereichen Fotografie, Bildung, Grafikdesign und bildende Kunst arbeiten. Sie alle haben eine Leidenschaft für Essen und öffentliche und/oder interdisziplinäre Dialoge. Bon Appétit!
Biografie
Gülsüm Güler, Künstlerin (she / her) lebt und arbeitet in Berlin.
Sie unterrichtet in Frankfurt am Main an der Städelschule im Bereich Fotografie.
Sie ist mit lnci Güler und Lisa Schweizer Gründerin des Dinner-Club Kollektivs
TDD und hat 2022 die Publikation »Flavours & Friends« im Eigenverlag
herausgegeben.
Im BIPoC - Food Kollektiv »Smells like« in Berlin verhandelt sie Fragen der
Kultur, Identität und die Verbindung durch Essen.
Seit 2019 ist TDD ausserdem im Verein der Floating University, Berlin aktiv. 2022 hat Gülsüm Güler ein Stipendium der Stiftung Kunstfonds, Bonn & mit ihrem Kollektiv TDD ein Stipendium der Urbanen Praxis, Berlin erhalten.
Localizing Whiteface | "Was machen Nazis hier?"
Allgäu ⇏ rechtsaußen bietet Recherche, Dokumentation und Analyse der Umtriebe von Neonazis und anderen Rechtsradikalen im Allgäu und den angrenzenden Regionen.
Allgäu ⇏ rechtsaußen setzt auf eigene Recherchen und das eigene umfangreiche Archiv zur örtlichen Szene, wertet relevante Polizei- und Presseberichte aus, befragt Behörden und steht in Kontakt mit Parlamentarier*innen, die mit dem Thema zu tun haben. In der Chronik des Archivs wird versucht, möglichst alle Aktivitäten der Rechten im Allgäu und darum herum knapp zu dokumentieren. In der Rubrik Hintergrund & Analyse werden umfassende Recherchen und Hintergrundwissen veröffentlicht, die Entwicklungen erfassen und das Geschehen einordnen. Dabei wird über den Tellerrand hinaus auf die Vernetzung der Szene, auch in andere Regionen, sowie auf die lange Tradition der rechten Szene im Allgäu geblickt. Allgäu ⇏ rechtsaußen dokumentiert außerdem die (wenigen) aktivistischen und zivilgesellschaftliche Aktionen und Initiativen der Region gegen Rechts.
Allgäu ⇏ rechtsaußen besteht aus einer Hand voll überwiegend ehrenamtlich arbeitenden Journalist*innen. Die Gruppe hat im Dezember 2019 die Publikation “Voice of Anger und der rechte Untergrund im Allgäu” zu der Recherche um die Skinhead-Kameradschaft “Voice of Anger” veröffentlicht, hält regelmäßig Vorträge und leitet Workshops zu investigativem Journalismus und der Analyse rechter Strukturen.
Interview mit: Norbert Kelpp & Sebastian Lipp
Schnitt: Niklas Ehret
SHIFT
WIE KANN ICH MITMACHEN?
Ihr habt diskriminierende Nachrichten bekommen, problematische Tweets gesehen oder seid über Hasskommentare in Foren gestolpert? Schickt uns diese Texte an shift.hannover@gmail.com und werdet Teil von SHIFT!
Wichtig: Eure Mail sollte ausschließlich den entsprechenden Text beinhalten. Verzichtet bitte auf Gruß- oder Verabschiedungsformeln.
WAS IST SHIFT? Die SHIFT-Software bearbeitet und verfremdet diskriminierende Texte und druckt sie anschließend automatisch aus. In mehreren Schritten werden mit Hilfe von KI problematische Inhalte erkannt und verändert. Dabei bleiben die ursprünglichen Texte zwar erkennbar, sind in ihrer Aussage aber stark verzerrt und werden in eine lyrische Form gebracht. Die Ergebnisse füllen schließlich das Apartment – so wie Hate Speech aus dem Digitalen heraus immer mehr Raum im „echten Leben“ einnimmt.
WARUM SHIFT? Betroffene Personen sind im digitalen Raum häufig auf sich allein gestellt. Sie werden einerseits angegriffen, müssen andererseits aber auch auf Hate Speech und diskriminierende Inhalte reagieren und sich damit inhaltlich auseinandersetzen. Häufig folgen auf eine Stellungnahme nur weiterer Hass und vermehrte Angriffe.
SHIFT ist ein niedrigschwelliger Konzeptansatz, der betroffenen Personen helfen kann, sich selbst zu schützen und trotzdem zu reagieren. Die entstandenen Texte bieten kaum mehr Angriffsfläche für weitere Eskalation, haben die diskriminierenden Aussagen aber trotzdem verhandelt – und stehen nun als ein ästhetisches Ergebnis für sich. SHIFT ist somit der Versuch, Digitalkunst als Tool für Antidiskriminierungsarbeit im digitalen Raum zu nutzen.
WAS IST NOCH WICHTIG? Wir arbeiten bei SHIFT mit der KI ChatGPT von OpenAI (GPT 3.5). Zum aktuellen Stand ist der Umgang mit KI nie hundertprozentig zuverlässig. Aus diesem Grund variiert die Qualität der entstandenen Texte stark. Da wir transparent arbeiten möchten, werden diese Texte dennoch mit ausgestellt.
Anmeldungen für das Symposium bis zum 22.11.23 unter Link zum Google Form
Das Symposium findet am ZF-Campus der Zeppelin Universität statt, am Fallenbrunnen 3 88045 Friedrichshafen
Rahel Gloria Spöhrer | Kuratorische Leitung des artsprogram der Zeppelin Universität | rahel.spoehrer@zu.de
Prof. Dr. Karen van den Berg | Wissenschaftliche Leitung des artsprogram der Zeppelin Universität | karen.vandenberg@zu.de
Team artsprogram
Marie-Sophie Usadel | Assistenz des artsprogram | marie.usadel@zu.de
Marei Brodbeck | Kuratorische Assistenz des artsprogram | m.brodbeck@zeppelin-university.net
Lilli Kim Schreiber | Kuratorische Assistenz des artsprogram | l.schreiber@zeppelin-university.net
Niklas Ehret | Kuratorische Assistenz des artsprogram | n.ehret@zeppelin-university.net
Team kuratorisches Praxisprojekt
Oliver Hartmann Eskildsen
Angel Luis Gomez Montoya
Franziska Schack
Denise Hoogeveen
Stephanie Lochschmidt
Julius Marn
Liv-Kristin Schmidt
Till Leander Schroeder
Merit Taeuber
Jil Tischer
Sparkasse Bodensee
Baden-Württemberg Stiftung
Fränkel Stiftung
Studentischer Vizepräsident
Student Lounge
Zeppelin Universitätsgesellschaft