Wenn es etwas gibt, was man Melanie Weiser mit Sicherheit nachsagen kann, dann dies: Sie schafft Momente für andere, in denen sie Neues erleben und erfahren können. So hat sie sich mehrere Jahre in der Kinder- und Jugendarbeit engagiert und ist mittlerweile für eine NGO tätig, die jungen äthiopischen Frauen aus schwierigen sozialen Verhältnissen durch Bildung ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht. In ihrer Bachelorarbeit und in ihrem im Herbst startenden Master wiederum möchte sie Strategien entwickeln, die Menschen vor den Folgen des Klimawandels schützen.
Aufgewachsen in einer Kleinstadt, entwickelte sich in Melanie Weiser früh der Drang, mehr über die große Weltpolitik zu erfahren. Es waren die politisch interessierten Eltern, die während des Abendessens versuchten, ihren beiden Töchtern auch das aktuelle politische Tagesgeschehen schmackhaft zu machen. „Ich weiß noch, dass ich spätestens mit dem Beginn des schulischen Politikunterrichts verstehen wollte, was um mich herum passiert, und daher viel nachgefragt und nachgehakt habe“, bemerkt Weiser.
Dass sie vor allem der Aufstieg der AfD bewegte und beschäftigte, hatte mit ihrer ehrenamtlichen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zu tun, die teilweise aus sozial benachteiligten und geflüchteten Familien stammten. „Damals konnte ich nicht nachvollziehen, warum eine rechtspopulistische Partei in einem wohlhabenden Land wie Deutschland so groß werden kann“, erläutert Weiser. Grundlegende Werte und die Gemeinschaft waren es, die sie zum Evangelischen Kinder- und Jugendwerk führten. Anfangs betreute sie als Jugendleiterin verschiedene Freizeiten, bis zuletzt war sie im Leitungskreis der Bezirksjugend aktiv, wo sie die Kinder- und Jugendarbeit des Kirchenbezirks mitgestaltete und neue Jugendleiterinnen und Jugendleiter ausbildete – und eigene Ideen verwirklichte: „In Kooperation mit der evangelischen Landeskirche habe ich unter anderem ein Mentoring-Programm ins Leben gerufen, bei dem Studierende Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Schichten in der Pandemie unterstützen“, berichtet Weiser.
Einige Jahre war sie darüber hinaus als aktive Johanniterin und Schulsanitäterin im Dienst, bevor sie die Leitung des Schulsanitätsdienstes übernahm, Einsätze koordinierte, mit der Leitstelle kooperierte und zukünftiges Sanitätspersonal auf die Ausbildung vorbereitete. Selbst ausbilden ließ sie sich darüber hinaus zur Mediatorin, um bei schulischen Konflikten zu vermitteln.
Konfliktlinien anderer Art rückten in den Fokus ihres Politikkurses in der Oberstufe. „Gemeinsam mit dem Lehrer haben wir viel über extremistische Bewegungen diskutiert und wie sie die Demokratie gefährden“, berichtet Weiser. Nach der Präsentation einer mündlichen Prüfung kam der Politiklehrer auf sie zu und legte ihr nahe, doch ein politikwissenschaftliches Studium aufzunehmen. „Das war der Auslöser, mich ernsthaft mit einem solchen Studium auseinanderzusetzten“, erzählt Weiser.
Ursprünglich war es ihr Wunsch gewesen, als Anwältin oder Psychologin anderen Menschen in schwierigen Lebenslagen unter die Arme zu greifen. Doch gerade ein Praktikum in einer sozial-pädagogischen Tagesgruppe für schwererziehbare Kinder und Jugendliche bestärkte sie noch darin, Politik zu studieren. „In den Monaten habe ich mehr denn je erfahren, wie schwer es für junge, sozial benachteiligte Menschen ist, den eigenen Verhältnissen zu entfliehen, wenn sie nicht unterstützt werden. Schließlich habe ich eingesehen, dass es das System dahinter ist, das verändert werden muss – und ich diese Veränderung am besten mitgestalten kann, wenn ich Politik studiere“, erklärt Weiser.
Allein Politik sollte es aber auch nicht sein. Daher suchte Melanie Weiser nach einem Studium, das mehr zu bieten hat. „Ein Bekannter, der damals an der ZU studierte, pitchte mir in einem Telefongespräch den Studiengang PAIR“, erwähnt Weiser. Was dabei besonders ihr Interesse weckte: die Kombination aus Politik und Verwaltung. Kurz darauf nahm sie an der Schülerakademie teil, um sich ein eigenes Bild von der ZU zu machen. „Das Gefühl, dass ich hier richtig bin, war sofort da. Genauer gesagt war es das Gefühl, an einem Ort zu sein, an dem man über alles diskutieren und jederzeit seine eigene Meinung frei äußern kann“, erinnert sich Weiser. Sie bewarb sich für den PAIR-Bachelor, wurde ausgewählt, angenommen, aufgenommen.
Wie bereits zu Schulzeiten, interessierte sie sich auch an der ZU für populistische Politikerinnen und Politikern und extremistische Strömungen. Besonders das Phänomen Donald Trump wollte sie ergründen. „Ähnlich wie das Erstarken der AfD habe ich verstehen wollen, wie ein politisch völlig inkompetenter Mann zum US-Präsidenten gewählt werden konnte“, erläutert Weiser. Einige Hausarbeiten später ist ihr klar: „Das entscheidende Kriterium einer US-Wählerin, beziehungsweise eines US-Wählers, ist die negative Parteizugehörigkeit. Das bedeutet: Man verabscheut die andere Seite so sehr, dass man alles für den Sieg der eigenen Seite tut, selbst wenn man Entscheidungen trifft oder Werte vertritt, die man selbst nicht nachvollziehen kann oder teilt.“ Ist die USA gar auf dem Weg zu einem Failed State? Genau mit dieser Frage hat sie sich in ihrer Humboldt-Arbeit beschäftigt, in der sie die Auswirkungen der Identitätspolitik näher beleuchtet hat.
Auch wenn sie auf die US-Demokratie inzwischen wieder etwas beruhigter schaut, so ist sie dennoch alarmiert, dass sich die Welt in einer Ära der demokratischen Regression befindet, was ihrer Ansicht nach das Bedürfnis nach einer staatlichen Sicherheitsgarantie ausdrückt. In ihrer Bachelorarbeit untersucht sie deshalb, ob ein Staat in Zeiten von globalen Herausforderungen überhaupt noch die Sicherheit der eigenen Bevölkerung gewährleisten kann. Abhilfe leisten könnte das Konzept der Schutzverantwortung – auch Responsibility to Protect genannt. „Dieses Konzept gibt den Vereinten Nationen ein Eingriffsrecht bei humanitären Notlagen schlimmsten Ausmaßes wie Genozid oder Völkermord. Ich frage mich, ob man die Folgen der Klimakrise in dieses Konzept mit aufnehmen kann. Denn klimatische Kipppunkte wie etwa durch die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes lösen unvorhergesehene Kettenreaktionen aus und bringen massive Klimaveränderungen für Mensch und Umwelt mit sich, die eine Intervention rechtfertigen könnten“, beschreibt Weiser. Auf das Thema ihrer Bachelorarbeit ist sie während ihres Auslandssemesters durch Diskussionen in einem Kurs in International Security an der University of California, Berkeley, gestoßen.
Das Auslandssemester hat sie dazu ermuntert, demnächst einen Master mit Fokus auf Sicherheitspolitik und Klimafolgenforschung zu studieren. Vorzuweisen hat sie dafür mehr als genug: So absolvierte sie ein – eigentlich nur für Masterstudierende offenstehendes – Traineeprogramm beim transatlantischen Thinktank German Marshall Fund of the United States in Brüssel und erforschte, welche Kampagnen ausländische Akteure im Vorfeld der Landtagswahlen und Bundestagswahl in Deutschland verbreitet haben, um Einfluss auf die Wahlausgänge zu nehmen. Außerdem arbeitet sie als Praktikantin im Büro der Grünen-Politikerin und Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Dr. Franziska Brantner.
Schließlich engagiert sie sich seit einigen Jahren in der NGO „PROJECT-E Education Empowers“, die danach strebt, junge äthiopische Frauen durch kostenlose Bildungsprogramme zu fördern und ihnen die Chance zu geben, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Dort arbeitet sie als Head of Finance und verantwortet unter anderem das Jahresbudget und den Jahresbericht. Dass Melanie Weiser mit Zahlen umgehen kann, zeigen auch ihre Aktivitäten in den studentischen Initiativen an der ZU: Sowohl bei den Workshop- und Karrieretagen ZUtaten 2019 als auch beim Transcultural Leadership Summit 2020 leitete sie im jeweiligen studentischen Organisationsteam das Ressort Finanzen.
Melanie Weiser ist sich sicher: „An einer anderen Universität hätte ich nicht die gleichen Möglichkeiten gehabt wie an der ZU – sei es für ein Auslandssemester nach Berkeley zu gehen, als Bachelorstudentin für den German Marshall Fund of the United States zu arbeiten, in vielfältigen studentischen Initiativen mitzuwirken oder mit Kommilitoninnen und Kommilitonen zu studieren, die die Welt verstehen und verändern wollen.“