Manuel Rees ist gelernter Veranstaltungskaufmann und hat bereits mehrere Jahre Erfahrung in unterschiedlichen Theaterbetrieben sammeln können. Er hat einen Bachelor in Kultur und Management an der Hochschule Zittau/Görlitz und einen CCM-Master an der ZU erfolgreich abgeschlossen. Darüber hinaus hat er das „ZUKUNFTSVISIONEN – Festival für zeitgenössische Kunst“ geleitet, das Festival „Lange Nacht der Musik“ mitorganisiert und eine Kunstausstellung an der Vilnius Art Academy kuratiert. Und mit „Bewelo“ hat Manuel Rees zudem ein Start-up mitgegründet. Doch der Weg, den der heute 32-Jährige bisher genommen hat, ist alles andere als selbstverständlich.
Bereits als Bambini hat Manuel Rees gegen das runde Leder getreten, wobei er die Rolle des Torwarts für sich entdeckte. Zunächst stellte er sich zwischen die Pfosten bei der SG Schorndorf in der Nähe von Stuttgart, nach einem Umzug in die sächsische Hauptstadt wechselte er zur SG Dresden Striesen. Bei einem Punktspiel wurde Rees, der sich durch seine Sprungkraft und Reaktionsgeschwindigkeit auszeichnete, von einem Scout von der SG Dynamo Dresden entdeckt.
Dort wurde aus dem Hobby Leistungssport. Manuel Rees spielte von nun an in den höchsten Juniorenligen, wurde auf einer Elitesportschule gefördert, aber auch gefordert. „Spätestens ab diesem Zeitpunkt bestimmte Fußball mein Leben“, blickt Rees zurück, „da blieb für andere Hobbies kein Platz mehr.“ Ein typischer Tagesablauf verdeutlicht dies: Um 5 Uhr aufstehen, ab 7 Uhr trainieren, von 9 bis 16 Uhr Schule, ab 18 Uhr wieder trainieren, ab 21 Uhr Hausaufgaben erledigen, um 23 Uhr ins Bett gehen – und das mehrere Jahre Tag für Tag, außer in spielfreien Zeiten. „In dieser Phase bin ich oft an meine Leistungsgrenzen gestoßen, doch der Ehrgeiz und das Ziel vor Augen, später einmal Profifußballer zu werden, haben mich immer weiter angetrieben, das Maximum aus meinem Körper rauszuholen“, bemerkt Rees.
Der Weg hin zu einem professionellen Fußballspieler schien somit geebnet, das Abitur stand kurz bevor. Doch dann machte ein einschneidendes Ereignis alle Pläne zunichte. Manuel Rees erlitt einen körperlichen Zusammenbruch. Mehrere Minuten musste er reanimiert werden, anschließend versetzte man ihn für zwei Wochen ins künstliche Koma. Weil das Gehirn in Mitleidenschaft gezogen wurde, hieß es in den nächsten Monaten und Jahren die körperlichen Grundfunktionen wie Motorik oder Sprechen neu zu erlernen, wobei einige körperliche Einschränkungen bis heute bestehen. Ein Jahr verbrachte er im Krankenhaus, ein weiteres in ambulanten Rehamaßnahmen wie Ergotherapie, Physiotherapie und Logopädie. „Alles, was ich in diesen zwei Jahren meinem Körper abverlangt habe, hat jede körperliche Anstrengung zuvor in den Schatten gestellt. Glücklicherweise wusste ich durch meine Zeit als Leistungssportler ganz genau über meine Physis Bescheid, was mir sehr geholfen hat“, berichtet Rees.
Nach und nach kehrte Manuel Rees in ein normales Leben zurück und überlegte sich gemeinsam mit seiner Familie, wie es nicht nur privat, sondern auch beruflich weitergehen sollte. „Weil ich aber nicht wirklich wusste, was durch meine motorischen Einschränkungen möglich war, absolvierte ich ein Praktikum nach dem anderen, um mich auszuprobieren“, erzählt Rees. So arbeitete er für ein Tagungszentrum, in einem Graffiti- sowie in einem Sportgeschäft, in einer Eventagentur, bei einem Immobilienmakler und bei einer Schülerzeitung, merkte aber, dass er auf diesem Wege nicht weiterkam.
Erst der Weg zum Beauftragten für Menschen mit Behinderungen der Stadt Dresden führte weiter: nämlich zum Berufsbildungswerk, wo junge Menschen mit einer gesundheitlichen Einschränkung die Chance erhalten, erfolgreich ins Berufsleben zu starten. Dort absolvierte Manuel Rees ein berufsvorbereitendes Jahr im kaufmännischen Bereich, wozu auch ein dreiwöchiges Praktikum in der Comödie Dresden zählte. Rees‘ Potenzial erkennend, bot ihm der Geschäftsführer eine Ausbildungsstelle als Veranstaltungskaufmann an. „Diesem von ihm entgegengebrachten Vertrauen habe ich sehr viel zu verdanken“, erwähnt Rees. „Denn nach einem Gang durch ein tiefes Tal sah ich endlich wieder Licht am Horizont.“
Nach drei Jahren in der Comödie Dresden und im Westfälischen Landestheater Castrop-Rauxel schloss Manuel Rees seine Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann erfolgreich ab. Doch nicht nur das Ausbildungszeugnis hatte er damit in der Tasche, sondern auch viel Wissen in den Bereichen Kultur und Management. Noch war allerdings der Wissensdurst nicht gestillt, daher entschied er sich für einen Bachelor in Kultur und Management an der Hochschule Zittau/Görlitz. „Für ein Studium habe ich mich ganz bewusst entschieden, weil ich den Drang verspürte, meine motorischen Einschränkungen mit einem höheren Denkvermögen zu kompensieren – auch, um mit anderen Schritt halten zu können“, beschreibt Rees.
Aufgrund des krankheitsbedingt fehlenden Abiturs und dem vergleichsweise fortgeschrittenen Alter musste er mehrere Eignungsprüfungen ablegen, um die Hochschulzugangsvoraussetzungen zu erfüllen. „Das war der reinste Horror, war ich doch seit Jahren nicht mehr mit den Inhalten aus dem Schulunterricht vertraut“, bemerkt Rees. „Umso glücklicher war ich, als ich nach intensiven Wochen der Vorbereitung die Prüfungen bestanden hatte und mit dem Studium beginnen konnte.“
Während dessen standen einerseits Themen wie Kulturgeschichte, Kulturtheorie oder Kulturrecht, andererseits Betriebswirtschaftslehre auf dem Lehrplan. Um neben der Theorie praktische Erfahrungen zu sammeln, arbeitete Manuel Rees parallel zum Studium für das studentisch initiierte „ZUKUNFTSVISIONEN – Festival für zeitgenössische Kunst“: ein Jahr in der Künstlerbetreuung, ein Jahr in der Projektleitung. Ein weiteres künstlerisches Projekt realisierte er während seines Auslandsjahrs an der Vilnius Art Academy. Mit verschiedenen Künstlern konzipierte und kuratierte er unter dem Titel „Hope“ eine Kunstausstellung, die von den Fluchtbewegungen im Jahr 2015 geprägt war. Ein Praktikum wiederum führte ihn ins Kommunikationsteam eines in Dresden ansässigen Instituts der Vereinten Nationen (UNU-FLORES). Dort entdeckte er auch das Thema seiner Bachelorarbeit, in der er sich mit dem Mehrwert des Instituts für die Dresdner Kulturlandschaft beschäftigte.
Auch mit dem Bachelorzeugnis in der Tasche war der Wissensdurst noch nicht gestillt. Auf Empfehlung eines Freundes wurde er auf die ZU und auf den CCM-Master aufmerksam. „Besonders begeistert hat mich gleich zu Beginn des Studiums die Diskussionskultur in den Kursen“, erzählt Rees. „Denn die Diversität der Teilnehmenden hat Sichtweisen hervorgebracht, die mir sonst niemals begegnet wären.“ Zurück zu den Wurzeln hieß es dann bei der Bearbeitung der Masterarbeit: Darin hat er die identitätsstiftende Wirkung von Fußballfankultur am Beispiel der SG Dynamo Dresden unter besonderer Berücksichtigung der Dresdner Ultra-Gruppierung analysiert.
„Insgesamt war die Zeit an der ZU eine geistige Befruchtung, was zum einen daran liegt, dass die Menschen hier stets auf der Suche sind nach neuen Wegen und sich dadurch wiederum auch neue Perspektiven für andere ergeben. Zum anderen bietet die ZU an sich Räume, um sich darin zu entfalten“, sagt Rees. Das führte ihn nicht nur in das studentische Organisationsteam des Festivals „Lange Nacht der Musik“, sondern auch zur Gründung eines eigenen Start-ups. So entstand während des Workshops „Mehrwertiges Unternehmertum“ die Gründungsidee zu „Bewelo“. „Dabei handelt es sich um eine App mit dem Ziel, die Attraktivität der Fahrradnutzung für Arbeitnehmende wie Arbeitgebende zu erhöhen. Dadurch soll ein Beitrag dazu geleistet werden, Veränderungen im Mobilitätsverhalten zu erreichen und mit Gesundheitsförderung zu verbinden“, erklärt Rees.
Auch wenn „Bewelo“ von den Angeboten des ZU-Gründerzentrums „PioneerPort“ profitiert hat und von diversen Förderprogrammen des Landes Baden-Württemberg weiterhin unterstützt wird, geht es in den kommenden Monaten nun darum, das Geschäftsmodell weiterzuentwickeln und zukunftsfähig zu machen. „Ich mache mir da wenig Sorgen“, sagt Rees. „Denn ich bin felsenfest davon überzeugt, dass ,Bewelo‘ in Zeiten von Klima- und Mobilitätswandel ein Teil der Lösung sein kann.“
Und auch mit Blick auf die eigene Zukunft ist ihm nicht bange: „Zum einen kann ich von mir behaupten, dass ich immer gekämpft, mich nie vor einer Herausforderung gedrückt und niemals aufgegeben habe. Zum anderen bin ich denjenigen Menschen unendlich dankbar, die mir so viele Türen geöffnet, so viele Wege aufgezeigt und die mir so viel ermöglicht haben.“