01.03.2017

Yasemin Öztürk und Esther Straub

„Immer mehr Familienunternehmen schließen, weil die Nachfolger fehlen.“ So oder so ähnlich lauten regelmäßig die Schlagzeilen in der Presse. An der ZU ist das Bild deutlich positiver, denn hier gibt es einen Studiengang, der sich ganz speziell an Nachfolger, Gesellschafter und Führungskräfte von Familienunternehmen richtet: den „Executive Master for Family Entrepreneurship | eMA FESH“. Doch wie sieht heutzutage der typische Nachfolger eines Familienunternehmens aus? Mit Yasemin Öztürk und Esther Straub haben wir zwei Beispiele im aktuellen Jahrgang gefunden. Beide sind echte Pionierinnen im Sinne der ZU, beide haben sich entschlossen, in große Fußstapfen zu treten, und beide stammen aus der Region Bodensee-Oberschwaben.



Yasemin Öztürk ist die zweite Generation in einem klassischen Familienunternehmen: die Öztürk Döner Produktion GmbH & Co. KG in Waldburg bei Ravensburg. Vorgezeichnet war weder der Weg des Familienunternehmens noch ihr Einstieg. Der Vater kam in den 1980er-Jahren aus der Türkei nach Deutschland und hat seinen kleinen Döner-Imbiss so schnell erfolgreich gemacht, dass er bald nicht mehr selber an Endkunden über die Theke verkaufte, sondern mit inzwischen 70 Mitarbeitern tiefgekühlte Döner-Spieße produziert und europaweit ausliefert. Mit 80 Tonnen Produktionsvolumen pro Woche ist das Unternehmen heute einer der zehn größten Döner-Produzenten in Europa.


„Ich habe zwar – wie die meisten ,Unternehmerkinder‘ – immer schon im Unternehmen ausgeholfen. Die Nachfolgefrage war aber nie akut, vor allem, weil in den Augen anderer mein älterer Bruder Ahmet der nächste Firmenchef war“, erzählt Öztürk. So absolvierte sie nach dem Abitur an der DHBW Ravensburg ein duales Studium in BWL, Medien- und Kommunikationswirtschaft und blieb danach ihrem Ausbildungsbetrieb, der Columbus Holding AG, treu. „Natürlich habe ich zu Hause die aktuellen Themen rund um das Familienunternehmen stets mitbekommen, sowohl die negativen als auch die positiven Dinge“, erläutert Öztürk. Nach einer Zeit des Abwägens stieg sie dann vor zwei Jahren ins Familienunternehmen ein – offiziell als Assistentin der Geschäftsführung. Nicht nur, weil sie neue Erfahrungen sammeln wollte, sondern auch, weil das rasante Wachstum des Unternehmens mit klareren Strukturen und professionelleren Abläufen begleitet werden musste. „Die Tatsache, dass mein Bruder schon im Unternehmen tätig war, war ein zusätzlicher Anreiz für den Einstieg“, sagt Öztürk. Und sie verrät: „Es ist durchaus denkbar, dass wir das Unternehmen künftig als Geschwisterteam leiten.“


Auch bei Esther Straub war es keineswegs von jeher klar, dass sie einmal ein traditionelles Familienunternehmen leiten wird, stammt sie doch nicht aus einer Unternehmerfamilie. Aus Freude am Lernen und Wissen studierte sie zunächst Staatswissenschaften in Passau, verbrachte ein Jahr in Südfrankreich und absolvierte einen Master of Law in Mannheim und in Istanbul. Aufgewachsen ist sie dagegen in Leutkirch – zufällig in der Nachbarschaft des kinderlosen Ehepaares Härle von der gleichnamigen Brauerei, die über die Jahre zu engen Bezugspersonen und so etwas wie zweiten Eltern wurden. So war es auch nicht verwunderlich, dass sie bald anfing, ihr Taschengeld mit Jobs in der Brauerei aufzubessern: angefangen mit einfachem Bedienen bei Veranstaltungen in der Malztenne – der Kleinkunstbühne der Brauerei – bis hin zur Übernahme einer Gaststätte im Herzen Leutkirchs.


Im Sommer zwischen Abitur und Bachelor wuchsen die Aufgaben, und zu diesem Zeitpunkt kam auch das Angebot von Gottfried Härle, die Leitungsgeschäfte der Brauerei mitzuführen – keine leichte Entscheidung für eine junge Frau angesichts der Verantwortung für 30 Mitarbeiter und der 120-jährigen Firmengeschichte, in der immer ein Familienmitglied die Leitung innehatte, und die unter anderem die erste Brauerei war, die zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien produziert. „Die sechs Monate zwischen Bachelor und Master nutzte ich, um noch mehr von der täglichen Arbeit der Brauerei kennenzulernen. Dann stand für mich fest, dass ich die Leitung der Brauerei Härle übernehmen möchte“, erläutert Straub. „Seitdem fühlt sich meine Entscheidung, die sowohl auf emotionalen als auch rationalen Gründen beruht, richtig an. So ist Gottfried Härle mein unternehmerisches Vorbild – seine stets langfristige Planung und sein Leitbild des verantwortungsvollen Wirtschaftens, die stetige und bereits früh begonnene Umsetzung seiner Überzeugung, dass ein jeder gegenüber anderen Menschen und auch der Umwelt Verantwortung trägt, finde ich sehr beeindruckend.“


Was Yasemin Öztürk und Esther Straub verbindet, ist nicht nur eine besondere Liebe zur Türkei, sondern die Tatsache, dass sie sich in vielerlei Hinsicht jeden Tag im jeweiligen Familienunternehmen beweisen müssen. Zunächst aus dem einfachen Grund, dass sie als junge Frauen in Branchen arbeiten, die sehr stark von Männern dominiert sind. Kritische Fragen, welche Rolle sie im Unternehmen spielen, werden noch eine Weile aufkommen, aber das sehen die beiden eher als Herausforderung denn als Problem – genauso wie die familiäre Komponente in den Unternehmen, die auch immer wieder besondere Anforderungen stellt. „In unserer Firma arbeiten mehrere Mitglieder aus dem engsten Familienkreis. Auch, wenn es nie so direkt ausgesprochen wird, ist es gesellschaftlich und kulturell ja weder in Deutschland noch in der Türkei selbstverständlich, wenn die Tochter des Firmenchefs mit Mitte 20 einem langjährigen Mitarbeiter – der vielleicht noch der eigene Onkel ist – erklärt, welche Arbeitsabläufe wie geändert werden müssen, um beispielweise gewisse Zertifizierungen in der Lebensmittelbranche zu erhalten“, bemerkt Öztürk.


In beiden Fällen bedeutet der Einstieg in das Familienunternehmen auch, dass sie sich ganz bewusst dafür entschieden haben, ihr Leben in der Region Bodensee-Oberschwaben aufzubauen. Und das zu einem relativ frühen Zeitpunkt, während viele Freunde und Kommilitonen nach der Ausbildung zunächst einmal reisen, berufliche Alltagserfahrungen im Ausland sammeln oder die Start-up-Szene Berlins kennenlernen wollen. Esther Straub beschreibt das so: „Die Entscheidung für Härle bedeutet automatisch auch eine Entscheidung für Leutkirch. Es ist aber eben nicht nur irgendein Unternehmen, in dem ich arbeite. Es ist unseres und es hat Geschichte, Charakter und viele liebenswerte Eigenheiten.“


Im eMA FESH bereiten sich beide gemeinsam mit weiteren Nachfolgern auf die schrittweise Übernahme der Verantwortung für das Familienunternehmen vor. „Auch wenn wir aus völlig unterschiedlichen Ecken in Deutschland kommen, in verschiedensten Branchen tätig sind, so profitieren wir sehr stark vom intensiven Austausch und den vielen Perspektiven. Der gemeinsame Nenner ist die bewusste Entscheidung für Verantwortungsübernahme, der Spaß am unternehmerischen Denken und das Bewusstsein, dass die Probleme im eigenen Unternehmen gar nicht so einzigartig und unlösbar sind“, resümiert Öztürk die bisherigen Erfahrungen. Und Esther Straub ergänzt: „Wir haben alle ganz unterschiedliche Vorkenntnisse und Hintergründe, und die meisten von uns haben keinen typischen Bachelor oder Master in BWL im Vorfeld absolviert. Wenn beispielsweise Themen wie Personalentwicklung oder Markenpositionierung diskutiert werden, sind Menschen im Raum, die in Familienunternehmen arbeiten, dafür mehrere Abteilungen haben, aber gleichzeitig auch Yasemin, ich und einige andere, bei denen der Inhaber und die Familie die Personal- und Marketingabteilung abdecken – somit sind die Seminare immer eine spannende Lernerfahrung.“


Nicht zuletzt profitieren die eMA FESH-Kommilitonen aber auch ganz konkret von den beiden Mit-Studentinnen. Yasemin Öztürk weiß, wo es die besten Döner in der Region gibt, und Esther Straub bringt regelmäßig einen Teil ihres sogenannten „Haustrunks“ mit, den alle Brauerei-Mitarbeiter traditionell erhalten.

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