Nina Hoff geht es darum, ihre eigenen Sichtweisen zu erweitern und anderen neue Perspektiven zu eröffnen. Als Vorstand der studentischen LGBTIQ*-Initiative queer@ZU, Gesamtleitung eines Diversity Days und Hauptinitiatorin einer Lehrveranstaltung zu Gender Studies hat sie versucht, die Sichtbarkeit von Gender-, Diversitäts- und queeren Themen an der ZU zu erhöhen. In ihrer nun anstehenden Bachelorarbeit jedoch beschäftigt sie sich mit einem aus ihrer Sicht größeren Thema: der Nachhaltigkeit.
Bereits in der Schulzeit war Nina Hoff stets darauf aus, den eigenen Horizont zu erweitern und Zusammenhänge verstehen zu lernen. „Neben Sprachen hat mich vor allem Geschichte in ihren Bann gezogen und wie sie unsere Gegenwart verständlich macht“, bemerkt Hoff. Eine Geschichte selbst verfasste sie im Rahmen eines Nachwuchsfilmwettbewerbs, an dem sie gemeinsam mit fünf Freundinnen teilnahm. Das Motto: „Der Schein trügt“. „Die Handlung dreht sich um einen transsexuellen Jungen, der sich in seinem weiblichen Körper und einer weiblichen Rolle gefangen fühlt und sich deswegen in Hyperfemininität verliert“, erzählt Hoff. Die Filmidee überzeugte die Jury, nun ging es an die filmische Umsetzung unter professioneller Anleitung. Sie selbst führte dabei Regie, andere schauspielerten oder kümmerten sich um Ton, Kamera oder Schnitt. Nicht nur im Laufe ihrer Recherchen zu ihrer Geschichte, sondern auch wegen ihres parallel dazu erfolgten queeren Outings rückten LGBTIQ*-Themen mehr und mehr in ihren Fokus. „Bereits damals hatte ich das Gefühl, diese Themen sollten mehr Raum bekommen und in ihrer Schönheit, aber auch in ihrem Schmerz besser beleuchtet werden“, bemerkt Hoff und führt weiter aus: „Was heißt es überhaupt, in einer Gesellschaft aufzuwachsen, in der man mit seiner Identität nur ein Nebensatz oder ein Feindbild ist? In vielen Punkten habe ich oftmals das Gefühl, dass Empathie für andere Erfahrungen fehlt.“
Mit dem Plan, ein Jahr nach dem Abitur ein Geschichtsstudium in Berlin aufzunehmen, bereiste sie zunächst Japan, um erstmals tief in eine fremde Kultur einzutauchen. „Besonders fasziniert hat mich Japan, weil die japanische Kultur so gegensätzlich ist zur westeuropäischen, aber auch wie die Vergangenheit und Moderne auf faszinierende Art und Weise aufeinandertreffen“, sagt Hoff. Eine weitere Reise führte sie nach Mexiko, wo sie eine Spanischsprachschule besuchte und sich in einem Kindergarten engagierte. Der ursprünglich gefasste Plan eines Geschichtsstudiums gehörte bald der Vergangenheit an. „In einem Skypegespräch hat mir ein guter Freund meines Bruders von der ZU und dem CCM-Bachelor berichtet“, erinnert sich Hoff. „Danach brauchte es gar keine langen Recherchen mehr, um davon überzeugt zu sein, dass die Universität und der Studiengang zu mir passen. Und vieles, was beworben wurde – die Gemeinschaft, die Freiheiten und die Herausforderungen, an denen man wächst – hat sich als Realität erwiesen.“
Mit dem Wunsch, die Kombination von Kultur und Kommunikation zu durchleuchten, neue Blickwinkel kennenzulernen und sich in das studentische und universitäre Leben aktiv einzubringen, startete Nina Hoff in ihr Studium an der ZU. Ihr erstes Engagement führte sie allerdings nicht in eine studentische Initiative, sondern in das Karl-Olga-Haus, ein Altenpflegeheim in Friedrichshafen. „Dieses Engagement hatte damit zu tun, dass ich eine Verbindung zu meinem neuen Wohnort und seinen Menschen sowie etwas Stadtstolz aufbauen wollte“, begründet Hoff. Dort hilft sie einem an Parkinson leidenden Mann, seine Lebensgeschichte, die eine Flucht von Ost- nach Westdeutschland und viele überwundene Rückschläge beinhaltet, für seine Nachkommen schriftlich festzuhalten.
Überhaupt hat sich Schreiben zu ihrer kreativen Schiene entwickelt oder wie sie es ausdrückt: „Meine Gedanken triften zum Schreiben.“ Um auch anderen studentischen Schreibbegeisterten die Möglichkeit zu bieten, ihre angestaute Kreativität loszuwerden, hat sie die studentische Initiative „zu|texten“ mitgegründet: „Unsere Formate drehen sich zum einen um Schreibsessions, zum anderen um Workshops mit Medienschaffenden.“
Eine Community und einen Ort für queeres Engagement dagegen fand Nina Hoff in der studentischen LGBTIQ*-Initiative queer@ZU – und es dauerte nicht lange, bis sie von den damaligen Vorständen für dieselbige Position geheadhunted wurde. Gemeinsam mit einem eng befreundeten Kommilitonen führte sie zwei Jahre lang die Initiative als Vorstand, organisierte Stammtische, Vernetzungstreffen, Vortrags- und Filmabende. „Ich habe an der Universität von Anfang an die Lust verspürt, mich mit queeren Mitstudierenden zu vernetzen und mit ihnen die Akzeptanz von LGBTIQ*-Themen an der Universität weiter zu etablieren sowie queere Kultur und Lebensfreude an die Uni zu bringen“, sagt Hoff. Nach einem Jahr Pause ist sie in den nächsten Monaten wieder im Vorstand aktiv.
Um an einem Tag die Vielfalt der Lebensrealitäten an der ZU zu präsentieren und zu feiern, übernahm Nina Hoff zudem die Gesamtleitung eines Diversity Days. „Dabei haben wir zu einer Reihe von Workshops, Vorträgen und Kunstaktionen eingeladen, um Räume zum Diskutieren, Irritieren und Motivieren zu schaffen“, berichtet Hoff. Der Tag wurde bestens angenommen, mehr als hundert Teilnehmende kamen zusammen, um sich über Fragen rund um Diversität auszutauschen.
Nicht nur in Initiativen setzte und setzt sich Nina Hoff für mehr Diversität ein, sondern auch in der Lehre. „Bereits in der Einführungswoche bestand bei zwei meiner Kommilitoninnen und mir die Sehnsucht, eine Lehrveranstaltung zu Gender Studies zu konzipieren, um ein akademisches feministisches Grundverständnis zu erlernen und zu vermitteln“, erzählt Hoff. Nach einem gescheiterten ersten Versuch führte der zweite zur erhofften StudentStudy und damit zu einem Rundblick über die Wellen und Theorien des Feminismus. Sie fordert: „Wir brauchen Gender Studies an unserer Universität! Und das vor allem, weil der Blick durch diese Linse nicht nur ein tieferes Verständnis für die Eigen- und Fremdwahrnehmung fördert, sondern auch wirtschaftliche, politische oder gesellschaftliche Themen um eine essenzielle Perspektive bereichert. Unser Geschlecht oder wie unsere Geschlechterpräsentation gewertet wird begleitet uns Menschen überall mit hin, daher können alle Themen auch aus der Gender Perspektive betrachtet werden.“
Als prägend für ihre fachliche Schwerpunktsetzung im fortgeschrittenen Studium sollten sich zwei Praktika erweisen. Für das erste Praktikum reiste sie erneut nach Japan, wo sie in der Kommunikationsabteilung am Goethe-Institut Tokyo arbeitete. „Im Gegensatz zu meiner ersten Reise konnte ich nun beobachten, zu welchen Spannungen das Aufeinandertreffen von zwei Kulturen, eben der deutschen und der japanischen, führen kann, etwa wenn eine sehr auf Höflichkeit bedachte und zurückhaltende Gesellschaft auf ein direktes, effizienzliebendes Verhalten trifft“, berichtet Hoff. Das zweite Praktikum führte sie nach Berlin zu Facing Finance und damit zu einer NGO, die von Banken, Versicherungen und anderen Finanzinstitutionen robuste Nachhaltigkeitskriterien einfordert beziehungsweise diese stärken will. Auch dort war sie in der Kommunikation und der Recherche tätig, begleitete etwa für die NGO auf Instagram einen Protest vor dem Reichstag im Rahmen der Kampagne „Killer Roboter Stoppen“, die sich für einen Verbot autonomer Waffensysteme einsetzt. „Nach den beiden Praktika war es für mich nur naheliegend, den transkulturellen Ansatz auf ein nachhaltiges Thema anzuwenden“, bemerkt Hoff. „Und so möchte ich die Arbeit und das Wirken von deutschen und skandinavischen NGOs in der Finanzbranche vergleichen.“
Nina Hoff ging es in ihrem Studium stets darum, einen weiten Horizont vor sich auszubreiten. Ein ähnliches Experimentierfeld und einen vergleichbaren Wachstumsbeschleuniger wie die ZU wünscht sie sich in einigen Monaten auch an ihrer neuen Wirkungsstätte. Wenn alles nach Plan läuft, dann geht sie in die Niederlande oder nach Österreich, um einen Master im Bereich Nachhaltigkeit zu studieren. Warum nicht Gender Studies? „Nachhaltigkeit hat für mich oberste Priorität. Denn eine gesunde Erde ist Voraussetzung für das Wohlbefinden der Menschen, und zu diesen Menschen gehört eben auch die LGBTIQ*-Community.“