01.01.2021

Nils Henning

Nils Henning kann man getrost als Weltverbesserer im Denken und Handeln bezeichnen. So arbeitet er an einer Utopie, in der es seiner Meinung nach erstrebenswert ist, als Menschheit zu leben. Praktisch wirkt er in einer gemeinnützigen Organisation mit, die Menschen befähigt, gesellschaftliche und ökologische Probleme selbstständig zu lösen. In einem illustrierten Buch, einem Master und einer Promotion soll sein Weltbild in den nächsten Jahren weiter Gestalt annehmen.

Foto: Samuel Groesch


Durch den frühen Gebrauch von Computern und dem damit einhergehenden Umgang mit Hardware und Software entwickelte Nils Henning in jungen Jahren ein mathematisch-technisches Verständnis. In der Oberstufe war es für ihn selbstverständlich, Mathematik als Leistungskurs zu nehmen; was nach dem Abitur kommen sollte, war dagegen alles andere als selbstverständlich, „zumindest für mich, denn für meine Eltern, die früh im Berufsleben standen, war klar, dass ich eine Ausbildung mache.“ Da er neben Mathematik als zweiten Leistungskurs Erdkunde belegte, ließ er sich gerne von seiner Mutter bewegen, eine Ausbildung zum Geomatiker aufzunehmen.


Die darauffolgenden drei Jahre verbrachte Nils Henning bei der in Berlin ansässigen ARC-GREENLAB GmbH, einem Dienstleistungs- und Softwareunternehmen mit den Schwerpunkten Vermessung, Geoinformationssysteme, Forst und Umwelt sowie Building Information Modelling. Als Vermessungstechniker war er an den ICE-Strecken Erfurt-Leipzig sowie Berlin-München im Einsatz, hat für Katasterämter Forstbestände kartografiert, für öffentliche Versorgungsunternehmen Kabel, Rohre und Leitungen vermessen und ein 3D-Modell vom Interieur des Flughafens BER erstellt.


„Weil ich aber wusste, dass ich diesen Beruf nicht mein ganzes Leben lang machen möchte, habe ich im zweiten Lehrjahr intensiv darüber nachgedacht, was nach der Ausbildung geschehen soll“, erwähnt Henning. „Dabei habe ich mich auch an meinen ehemaligen Mitschülerinnen und Mitschülern orientiert, die nach dem Abitur ins Ausland gereist sind und nach ihrer Rückkehr mit einem Studium begonnen haben – während ich in einer 40-Stunden-Woche gearbeitet habe. Um neue Perspektiven zu entdecken, wollte ich beides unbedingt nachholen.“


Um einen Neuanfang zu starten, krempelte er nach der erfolgreich bestandenen Berufsausbildung sein Leben komplett um, verwandelte sich, wie er sagt, in ein unbeschriebenes Blatt. „Während ich mich darüber aufgeregt habe, was in der Wirtschaft, Politik und Gesellschaft alles schiefläuft, habe ich selbst einen ungesunden und von übermäßigem Konsum geprägten Lebensstil geführt“, erläutert Henning. Sich neu zu erfinden, darauf hat ihn seine erste Begegnung mit buddhistischen Schriften gebracht: „Besonders zu Herzen habe ich mir die folgende Weisheit genommen: ,Sei die Veränderung, die du in der Welt sehen willst.‘“


Daraus erwuchs der Gedanke, einen Master in Friedens- und Konfliktforschung zu studieren. In einem Gespräch mit einer befreundeten Politologin stellte sich heraus, dass die ZU und der SPE-Bachelor genau die richtige Etappe auf dem Weg zu diesem Master ist. Während seiner Reisen durch Australien, „wo ich zeitweilig in einer Fleischfabrik gearbeitet und die Entfremdung zu Tieren auf eine erschütternde Art und Weise kennengelernt habe“, und Asien, „wo ich zeitweise in einem buddhistischen Kloster gelebt und Techniken der Meditation erlernt habe“, reichte er seine Bewerbung für ein Bachelorstudium an der ZU ein. Nach der Rückkehr ging es zum Auswahltag und nach der Zusage von Berlin an den Bodensee.


„Zielorientiert in die Zukunft“: Getreu diesem Motto hat Nils Henning an der ZU studiert. Damit verbunden war die eine oder andere lange Nacht in der Bibliothek. „Ich liebte und liebe es, mich akademisch an Themen und Theorien abzuarbeiten“, bemerkt Henning. Vom ersten Semester an wollte er nichts weniger, als eine wissenschaftlich begründete Utopie zu beschreiben, die für die Zukunft von Gesellschaften erstrebenswerte Leitplanken aufzeigt. „Das ist ein Lebensprojekt, das ich bis zum Lebensende verfolgen werde“, betont Henning. All seine Kurse, Präsentationen und Hausarbeiten sowie seine Humboldt- und Bachelorarbeit hat er daran ausgerichtet.


Um seiner Utopie Konturen zu verleihen, hat er sich zunächst mit den Theoriegerüsten beschäftigt, um die metaphysischen Annahmen zu klären. „In meiner Humboldt- und Bachelorarbeit habe ich mich mit den verbindenden Prinzipien der Quantenphysik, der Prozessphilosophie nach Alfred North Whitehead sowie der Lehre von der Mitte des buddhistischen Philosophen Nagarjuna auseinandergesetzt und dabei erkannt, wie essenziell relationales und prozessuales Denken ist. In einem Master und einer Promotion soll es ausgehend von diesen Erkenntnissen darum gehen zu untersuchen, wie die einzelnen Gesellschaftssysteme – ob Wirtschafts-, Bildungs-, Gesundheits- oder politisches System – beschaffen sein müssen, um es jedem einzelnen Menschen zu ermöglichen, bestmöglich sein Leben zu leben“, erklärt Henning, der für seine Vision ein Global Korea Scholarship der koreanischen Regierung erhalten hat, mit dem sein Auslandssemester an der Hallym University in Chuncheon gefördert wurde.


Bevor Nils Henning für einen Master in Power, Conflict, and Ideas an der University of British Columbia aufbricht, widmet er sich in nächster Zeit einem Herzensprojekt, in dem er sich – mit Unterbrechung – seit dem ersten Semester engagiert: NePals e.V., ein Verein, der in Nepal Entwicklungszusammenarbeit leistet und zum damaligen Zeitpunkt noch im Entstehen begriffen war. „So mag es Zufall, aber womöglich auch Schicksal gewesen sein, dass ich noch wenige Monate zuvor selbst in Nepal unterwegs war, dort an einer Dorfschule unterrichtet und die Kultur kennen und lieben gelernt habe“, berichtet Henning. Ein Jahr lang leitete er das Bildungsprojekt, das nepalesischen Kindern durch Patenschaften den Zugang zur Schule ermöglicht, und wirkte bei der Umwandlung der Initiative in einen gemeinnützigen Verein mit. „Durch mein Engagement bei NePals ist mir erstmals richtig bewusst geworden, dass ich es mir zutrauen kann, Verantwortung zu übernehmen“, sagt Henning. „Darüber hinaus habe ich nicht nur viel über die Strukturen eines Vereins gelernt, sondern auch Kompetenzen im Bereich Team- und Projektmanagement erworben.“


Projektmanagement stand auch im Fokus zweier Tätigkeiten, denen er während seiner Auszeit von NePals e.V. nachging: Als studentische Hilfskraft im Student Project Office verwaltete Nils Henning über einen längeren Zeitraum die Projektmanagementsoftware „Podio“, leitete für interessierte studentische Initiativen Workshops und stand für Rückfragen und Probleme mit Rat und Tat zur Seite; als Praktikant in der Nachhaltigkeitsabteilung der elobau GmbH & Co. KG übernahm er sein eigenes Projekt, in dem er eine regionale Mitfahrplattform umsetzte.


In der Zwischenzeit entwickelte sich NePals e.V. so gut, dass sich die Umformung des Vereins in eine gemeinnützige GmbH abzeichnete. Obwohl Nils Henning sich auf das Ende seines Bachelorstudiums zubewegte und auf die Humboldt- und Bachelorarbeit fokussieren wollte, ließ er sich gerne von einem seiner besten Freunde und Vereinsmitgründer Fabien Matthias überreden. „Die Aussicht, ein Sozialunternehmen in die Welt zu setzen, das sich finanziell selbst trägt und die erwirtschafteten Gelder nur für gemeinnützige Zwecke einsetzt, hat mich überzeugt“, so Henning. Aktuell koordiniert er die Taskforces zu den Finanzierungsmöglichkeiten, verantwortet die Organisationsentwicklung und kümmert sich um die Finanzen. „Und jedes Mal, wenn ich an meine Kompetenzgrenzen stoße, dann unterstützen mich entweder der Geschäftsführer von der elobau GmbH & Co. KG, der Berater vom PioneerPort oder meine Schwester, die als Controllerin in einem Konzern tätig ist“, zeigt sich Henning dankbar.


Mit seiner Arbeit bei und für NePals ist er an einem Geschäftsmodell beteiligt, dass Menschen befähigt, gesellschaftliche und ökologische Probleme selbstständig zu lösen. Darüber hinaus ist ein mit Bildern und Geschichten gespicktes Buch geplant, indem er seine wissenschaftlichen Erkenntnisse leicht verständlich darlegen will. Nils Henning kommt also seinem Ziel näher, die Welt ein Stück weit zu einem lebenswerteren Ort zu machen: „Denn es bringt mir nichts, im Elfenbeinturm zu sitzen und eine theoretische Utopie zu beschreiben, die niemand je zu Gesicht bekommt. Die Theorie muss auch bei den Menschen ankommen.“

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