01.05.2022

Larissa Greul

Sollte Larissa Greul jemals eine Autobiografie schreiben, dann hätte sie auch schon den passenden Titel: „Von der Tellerwäscherin zur Diplomatin“. In ihrer Jugend stand sie viele Stunden in der Spülküche des familiengeführten Hotels und Restaurants. Alle weiteren Stationen lesen sich wie der Lebenslauf einer angehenden Diplomatin: Teilnehmerin und Betreuerin von internationalen Austauschprogrammen im Sport, Delegierte auf europaweiten MUN-Konferenzen, Praktikantin unter anderem in der Deutschen Botschaft in Tallinn, Studentin eines SPE-Bachelors an der ZU mit Auslandssemester an der UC California, Berkeley, und demnächst eines Masters in International Relations an der University of Oxford.



Ähnlich viel Zeit wie im Hotel und Restaurant der Eltern verbrachte Larissa Greul in der nahegelegenen Sporthalle des ETSV 09 Landshut e.V., in dem sie als Bodenturnerin aktiv war. Eine prägende Zeit, wie sie selbst sagt: „Denn der Verein hat es verstanden, auch seinen jungen Mitgliedern Verantwortung zu übertragen.“ So dauerte es nicht lange, bis sie – inspiriert von ihren ehrenamtlichen Trainerinnen und Trainern – sich zur Übungsleiterassistentin und zur Jugendleiterin ausbilden ließ und andere junge Menschen in die Welt des Turnens einführte sowie sich in den Vereinssitzungen für die Interessen der Jugend einsetzte. „Mit der Zeit ist mir bewusst geworden, dass ich im Verein mit Menschen verschiedenster sozialer Herkünfte, Generationen und Kulturen zu tun habe, mit denen ich nur auf dem Gymnasium nie in Kontakt gekommen wäre“, erzählt Greul. „Überhaupt gelingt es dem Sport wie kaum einem anderen gesellschaftlichen Lebensbereich, über soziale Schichten und kulturelle Hintergründe hinweg Menschen zusammenzubringen.“


Ganz im Zeichen des interkulturellen Austauschs stand ihr Engagement für die Bayerische und die Deutsche Sportjugend. Gleich mehrere Austauschprogramme führten sie als Teilnehmerin nach Südafrika und Japan und als Betreuerin nach Malta. „Dabei ging es natürlich darum, zusammen Sport zu machen, aber auch darum, voneinander zu lernen, etwa wenn man gemeinsam ein Konzept erarbeitet über Inklusion im Sport“, berichtet Greul, die darüber hinaus an einem bayerisch-tunesischen Projekt der Gesellschaft für Europabildung e.V. zur gegenseitig gestellten Frage „Are you really so political? – Are you really so apolitical?“ teilnahm. Dabei lernte sie gemeinsam mit weiteren jungen Erwachsenen aus beiden Ländern, wie man überzeugend debattiert, Interviews verfasst, politische Forderungen formuliert – und was es mit politischen Theorien auf sich hat.


Dass dies auf ein Studium hinausläuft, war Larissa Greul längere Zeit nicht bewusst. Erst im Sozialkundeunterricht mitten in der Oberstufe sollte sich das schlagartig ändern. Das Thema: Demografie und sozialer Wandel. Die Lehrerin fragte: Warum hat sich die Demografie in Deutschland so entwickelt, wie sie sich entwickelt hat? Welche Auswirkungen sind mit dem demografischen Wandel verbunden? „Diese Fragen machten mich neugierig und ich entdeckte, dass es mich fasziniert, Erklärungen für gesellschaftliche Phänomene zu finden“, erwähnt Greul. „Und ich wusste, dass ich mich nur in einem Studium intensiv mit diesen Phänomenen auseinandersetzen kann.“


Dass sie an die ZU gekommen ist, entsprang purem Zufall. Ein Ranking, bei dem die ZU an erster Stelle stand, brachte sie auf die Fährte: „Als ich dann auch noch davon erfuhr, dass in einem Bachelorprogramm die drängenden Themen und Fragen unserer Zeit aus der Perspektive der Soziologie, der Politik und der Ökonomie betrachtet werden, war ich überzeugt – eigentlich.“ Denn zwei Dinge hatten sie zunächst abgeschreckt: Privatuniversität und Auswahlverfahren.


„Mir war zu Beginn nicht mal bewusst, dass man überhaupt privat studieren kann“, erinnert sich Greul. Doch der interdisziplinäre Ansatz der ZU ließ sie nicht los, weshalb sie den Mut fasste, sich trotz Unsicherheit zu bewerben. „Beim Auswahltag habe ich direkt gemerkt, dass die Vision der ZU und ihrer Studierenden zu mir passen.“ Durch den ZU Bildungsfonds konnte sie das Studium aufnehmen, ohne ihre Familie zu belasten – und war erleichtert, als sie nach ihren ersten beiden Praktika die Gewissheit hatte, dass ein Studium zwischen Soziologie, Politik und Ökonomie keineswegs brotlos ist. Zunächst ging es für sie zur Landesgeschäftsstelle von Bündnis 90/Die Grünen Bayern, wo sie eine Urwahl des Landesverbandes und ein Volksbegehren gegen Flächenversiegelung mitorganisierte. Einblicke in die politische Arbeit im Landtag und in einem Wahlkreis erhielt sie zudem im Büro der bayerischen Grünen-Landtagsabgeordneten Rosi Steinberger.


Zwischen verschiedenen politischen Ebenen bewegten sich die weiteren Praktika in ihrer Studienzeit: sei es bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V., die mit Analysen zu komplexen Themen der auswärtigen Politik die außenpolitische Debatte in Deutschland fördert, als Teil von Team Tomorrow e.V., das mit digitalen Wahlentscheidungshilfen die Demokratie in Deutschland stärkt, oder in der Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der Europäischen Union, die als Scharnier zwischen Landesinteressen und europäischen Entwicklungen wirkt.


Wie die Spielregeln in der Diplomatie funktionieren, das konnte Larissa Greul beim studentischen Club of International Politics e.V. miterleben: bei zahlreichen Simulationen der Vereinten Nationen wie der Harvard WorldMUN, der Oxford International MUN, der GhentMUN, der IsarMUN oder der eigens von der ZU|MUN Society einmal im Jahr organisierten LakeMUN. „Wie zu Vereinszeiten habe ich nicht nur große Freude daran gehabt, als Delegierte meine eigenen Fähigkeiten zu verbessern, sondern auch daran, als Chair anderen jungen Menschen zu vermitteln, wie wichtig es ist, über den eigenen Tellerrand zu schauen, andere Positionen zu verstehen und zu akzeptieren sowie mit Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen zusammenzuarbeiten“, erläutert Greul.


Vor allem auf die Diplomatie als Idee, als Institution und als Praxis fokussierte sie sich in der zweiten Hälfte ihres Studiums. Für die Humboldt-Arbeit wählte sie eine Problematik, die für sie während ihrer bisherigen Erfahrungen im außenpolitischen Kontext zum Herzensthema wurde: Diversität in der Diplomatie. Heraus kam eine mit dem „Gips-Schüle Student Research Award“ prämierte Forschungsarbeit, in der sie die Geschlechtergerechtigkeit im höheren Auswärtigen Dienst in Deutschland beleuchtete. Um den politischen, kommunikativen und psychologischen Blick auf ein anderes – bislang kaum erforschtes – Thema in der Diplomatie geht es nun in ihrer Bachelorarbeit: Emotionen. „Ausschlaggebend für die Themenwahl sind die öffentlichen und darüber hinaus sehr emotionalen Auftritte des ukrainischen Botschafters in Deutschland, Andrij Melnyk, der dafür zwar Kritik erntet, aber damit auch seine Ziele erreicht“, erklärt Greul. Wird Emotion also zur diplomatischen Strategie? Eine Literaturanalyse und Interviews mit Diplomatinnen und Diplomaten sollen nun mehr Licht ins Dunkel bringen.


Als Erstakademikerin fühlte sie sich zu Beginn ihres Bachelorstudiums selbst ein ums andere Mal orientierungslos im System Universität. Das endete erst, als sie im dritten Semester gemeinsam mit einem Kommilitonen den Vorstandsvorsitz der Student Lounge e.V. übernahm und in diesem Ehrenamt ein 15-köpfiges Team koordinieren sowie das Engagement der studentischen Initiativen finanziell und ideell unterstützen durfte. „Das Amt hat mir viel Selbstbewusstsein gegeben und zum ersten Mal deutlich vor Augen geführt, was wirklich in mir steckt“, sagt Greul. Um anderen Studierenden aus Nicht-Akademiker-Familien den Einstieg in ein Studium zu vereinfachen und ihnen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, hat sie die studentische Initiative „FirstGen@ZU“ mitgegründet. „Mit der Initiative wollen wir den Kommilitoninnen und Kommilitonen eine Austauschplattform bieten, die mit der Universität eine für sie fremde Welt betreten haben“, ergänzt Greul.


Inzwischen hat Larissa Greul ein klares Ziel vor Augen: Sie möchte Diplomatin werden. Einen weiteren Schritt auf dem Weg dorthin macht sie aktuell in der estnischen Hauptstadt Tallinn. Dort blickt sie hinter die Kulissen der Deutschen Botschaft. „Der höhere Auswärtige Dienst steht für so vieles, wofür ich meine Kraft, meine Zeit und mein Wissen investieren möchte: ob bilaterale Beziehungen mit anderen Staaten zu pflegen, deutsche Interessen und Werte im Ausland zu vertreten oder deutsche Staatsangehörige konsularisch zu betreuen“, bemerkt Greul. Anschließend geht es als Adam von Trott-Stipendiatin für einen Master in International Relations an die University of Oxford.


„Ich habe der ZU so viel zu verdanken, denn hier habe ich eine persönliche Entwicklung hingelegt, die ich so nie erwartet hätte“, sagt Greul. „Hier bin ich dank meiner Freundschaften und meiner Dozierenden zu der geworden, die ich bin – nicht zu der, die ich vielleicht sein wollte. Und ich fühle mich gut, so wie ich bin.“

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