„Dabei sein ist alles!“: Yannik Gräf hat an den Olympischen und Paralympischen Spielen in Tokio teilgenommen. Weder als Sportler noch als Journalist, sondern als Covid-19 Liaison Officer für ARD und ZDF. In einer Vermittlerrolle sieht er sich auch zukünftig. Er kann sich vorstellen, im höheren Dienst beim Auswärtigen Amt oder in einer internationalen Organisation zu arbeiten. Auf dem Weg dorthin liegt ein PAIR-Bachelor an der ZU hinter ihm und vor ihm ein Master in International Affairs am Graduate Institute Geneva.
Es waren die als Ärztin und als Arzt praktizierenden Eltern seines Mitschülers und besten Freundes, die nicht nur die Ersthilfegruppe an seiner Grundschule leiteten, sondern Yannik Gräfs erste medizinische Schritte begleiteten. „Es waren simple Sachen, die ich von ihnen gelernt habe, etwa wie man eine Kompresse anlegt, Pflaster an beweglichen Körperteilen anbringt oder mit einem Dreieckstuch einen gebrochenen Arm stabilisiert“, erläutert Gräf. Ab der dritten Klasse engagierte er sich als Schulhofsanitäter, als Schulsanitäter war er auf seinem Gymnasium jederzeit zur Stelle, wenn sich eine Mitschülerin oder ein Mitschüler unwohl fühlte oder gar verletzte. Weil ihm das Helfen anderer so viel bedeutet, wurde er Mitglied bei den Johannitern. „Als Kind und Jugendlicher bei den regelmäßigen Treffen auf der Rettungswache oder an Landes- und Bundeswettkämpfen teilzunehmen, war immer wieder ein besonderes Erlebnis“, erinnert sich Gräf. „Noch beeindruckender war und ist der Teamgeist und das Gemeinschaftsgefühl.“
Dieses parallele Engagement setzte er auch an der ZU fort. „Auf der Student Fair bin ich auf ZU First Aid | ZUFA gestoßen und war begeistert, dass es eine studentische Initiative gibt, die sich mit Themen rund um Gesundheit befasst“, erzählt Gräf. „Und dass diese Initiative mit den Johannitern in Friedrichshafen zusammenarbeitet, setzte dem Ganzen das i-Tüpfelchen auf.“ In den ersten beiden Semestern engagierte er sich im Ressort Sanität, organisierte und koordinierte gemeinsam mit den Johannitern Sanitätsdienste für studentische Events wie die Lange Nacht der Musik, kümmerte sich um die Ausstattung des universitären Sanitätsraumes und gewährleistete, dass in Notfällen jederzeit medizinisch ausgebildete Fachkräfte erreichbar sind. Nach dem Weggang des ZUFA-Vorsitzenden übernahm Yannik Gräf dessen Amt und führte die studentische Initiative konzeptionell und strategisch weiter. Um sich selbst medizinisch weiterzubilden, absolvierte er bei den Johannitern eine Ausbildung zum Sanitätshelfer und zum Rettungssanitäter.
Auch sein erstes Praktikum absolvierte Yannik Gräf im Gesundheitssektor. Bei der DRK Assistance Nordrhein GmbH in Düsseldorf, die in Krankheits- und Unfallfällen weltweit Patientenrückholungen abwickelt, erstellte er medizinische Infrastrukturanalysen für Länder wie Bangladesch, wo Rotkreuz-Mitarbeitende in einem Feldlazarett im größten Flüchtlingslager der Welt stationiert sind, heißt: „Ich habe recherchiert, welche medizinischen Kapazitäten vor Ort vorhanden sind und wie eine Rettungskette funktioniert, um die Patientin oder den Patienten bestmöglich zu versorgen.“
Seinem Chef blieb Yannik Gräf in so guter Erinnerung, dass dieser sofort an ihn dachte, als die Öffentlich-Rechtlichen nach einem potenziellen Codiv-19 Liaison Officer für die Olympischen und Paralympischen Spiele in Tokio anfragten. „Als mein ehemaliger Chef mich fragte, ob ich mir den Job zutrauen würde, habe ich nicht lange gezögert und zugesagt“, berichtet Gräf.
Auf ein erfolgreiches Gespräch und eine überbordende Einreisebürokratie folgte ein ganzer Sommer im International Broadcast Center in Tokio. Zu Beginn jeden Tages überprüfte Yannik Gräf in einem eigens eingerichteten Infektionsschutzsystem, ob Meldungen zu positiv getesteten oder erkrankten Personen aus dem Kreis der mitgereisten Mitarbeitenden eingegangen sind. Regelmäßig organisierte er für diese PCR-Tests, informierte sie über Änderungen bei den Corona-Regularien und kontrollierte die Einhaltung der Hygienevorschriften in den Räumlichkeiten. „Auch wenn es für mich als ausgewiesenen Handballfan schmerzhaft war, live zuzusehen, wie die DHB-Auswahl im Viertelfinale gegen Ägypten verliert, habe ich eine spannende Zeit in Japan verbracht, in der ich viel gelernt habe und in der ich an und mit den Aufgaben gewachsen bin.“
Dass Yannik Gräf prädestiniert war für die Arbeit des pandemischen Verbindungsoffiziers, hatte nicht nur mit seinen medizinischen, sondern auch mit seinen kulturellen Erfahrungen zu tun. Ganz in der Nähe von Düsseldorf aufgewachsen, entdeckte er früh seine Leidenschaft für den japanischen Kampfsport und die japanische Kulinarik. „Ich war von den Menschen und deren Lebensweise so begeistert, dass ich mich dazu entschloss, ein Austauschjahr in Japan zu verbringen“, erwähnt Gräf. Mit einer Austauschorganisation ging es für ihn in der neunten Klasse an die Yokosuka High School. In einer eher ländlichen Region begegneten ihm die Menschen mit Neugier und staunten nicht schlecht, wenn plötzlich ein blonder Europäer mit dem Fahrrad an Reisfeldern vorbei zwischen Schule und Gastfamilie pendelte. „Auch wenn es manchmal nicht einfach war, so war es doch das Beste, dass ich der einzige Nicht-Japaner an der Schule war“, bemerkt Gräf. „Denn so war es mir möglich, tiefer in die japanische Sprache und Kultur einzutauchen.“
Wieder in Deutschland, wechselte er das Gymnasium, um weiter Japanisch lernen und festigen zu können, eine Sprache, in der er sich inzwischen gut verständigen konnte. Vom Fernweh gepackt, zog es ihn erneut ins asiatische Ausland. Zwei Jahre lebte er in einer internationalen WG in der malaysischen Hauptstadt, besuchte mit einem Stipendium ausgestattet die Deutsche Schule Kuala Lumpur und machte das Deutsche Internationale Abitur.
Kurz nach seiner Ankunft sowohl in Japan als auch in Malaysia hat sich Yannik Gräf online in die Krisenvorsorgeliste des Auswärtigen Amtes eingetragen, damit im Katastrophenfall mit den im Ausland lebenden Deutschen schnell Verbindung aufgenommen werden kann. Doch nicht nur das: Immer wieder klickte er auf die Karrieremöglichkeiten im Auswärtigen Amt, informierte sich näher über den höheren Dienst und die Diplomatenlaufbahn. „Das war der Funke, die beiden Auslandsaufenthalte entfachten das Feuer, dass ich mich in meinem späteren Berufsleben zwischen interkulturellem Austausch und internationaler Politik bewegen möchte“, sagt Gräf.
Mit diesen Perspektiven begab er sich auf die Suche nach einem passenden Studiengang. „PAIR hat mich sofort gepackt, weil in dem Studiengang nicht nur die Politik-, sondern auch die Verwaltungswissenschaften prominent vertreten sind“, erwähnt Gräf. Auf dem Auswahltag lernte er die ZU als diskussionsfreudige Umgebung kennen: „Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich Menschen begegnet bin, die mit großem Interesse tiefgründig über Politik sprechen.“
Direkt nach dem Zeppelin-Jahr zwischen Wirtschaft, Kultur und Politik besuchte Yannik Gräf in Paris eine Sciences Po Summer School zu Human Security. „Dort habe ich mich erstmals mit Sicherheitspolitik auseinandergesetzt, die sich nicht an Staaten, sondern am Menschen orientiert“, bemerkt Gräf. Mit einem ähnlichen Aspekt beschäftigte er sich in einem Praktikum im Auswärtigen Amt, wo er in der Abteilung Krisenprävention und Stabilisation lernte, wie Mediationsprozesse gestaltet und Mediationsprojekte gesteuert werden, die in Konfliktregionen zum Einsatz kommen. All seine praktischen Erfahrungen versuchte er mit den im Studium erlernten Theorien zu verknüpfen: von Demokratie- und Staatstheorien über Völkerrechtstheorien bis hin zu Konflikttheorien.
Die mitten im Studium auftretende Pandemie führte ihn nicht nur zu den Spielen nach Tokio, sondern auch zum Thema seiner Bachelorarbeit. „Darin habe ich untersucht, warum über einen gewissen Zeitraum die Infektions- und Mortalitätsrate in Japan so viel geringer ausfielen als in Deutschland, wo doch beide Staaten von ihrem Entwicklungsstand und ihrem Gesundheitssystem ähnlich sind, in Japan aber 40 Millionen Menschen mehr leben und die Infektionsschutzmaßnahmen weniger restriktiv waren“, beschreibt Gräf. „Untermauert von Theorien habe ich festgestellt, dass die unterschiedlichen Sozialisationen einen relevanten Einfluss ausüben. Im Gegensatz zu Deutschland hat Japan ein kollektivistisch orientiertes Gemeinwesen. Die Japanerinnen und Japaner haben daher ein ausgeprägteres Bewusstsein, ihre Mitmenschen vor Infektionen zu schützen, und eine größere Bereitschaft, Einschränkungen hinzunehmen, was Infektionsschutzmaßnahmen effektiver macht.“
Gemeinsam mit seinen Kommilitoninnen und Kommilitonen hat Yannik Gräf an einer Model United Nations-Konferenz zunächst in Madrid und später in Oxford teilgenommen und saß als Diplomat in simulierten Gremien. Die nächste Station auf seinem Weg zu einem echten Diplomaten befindet sich in Genf. Am Graduate Institute studiert er einen Master in International Affairs und möchte sich auf Global Security und Global Health spezialisieren. Nicht unwahrscheinlich, dass er nach seinem Masterstudium in Genf bleibt und seinen Platz bei den Vereinten Nationen findet.