Schon zu Schulzeiten hat sich Coco Aglibut in Berlin in Sachen Jugendbeteiligung einen Namen gemacht. Sie engagierte sich viele Jahre im Verein „Jugend gegen AIDS e.V.“ und in der Schülervertretung, beteiligte sich im Landesschülerausschuss und brachte einen in vielen Buchhandlungen ausliegenden Mädchenjahreskalender heraus. An der ZU ist sie besonders für ihr hochschulpolitisches Engagement bekannt. So setzt sie sich aktuell als studentische Senatorin für das Ziel „Klimaneutrale Universität“ sowie gerechte Studienbedingungen in Zeiten von Corona ein.
„Seitdem ich denken kann, begleitet mich ein besonderes Gerechtigkeits- und Harmoniebedürfnis sowie so etwas wie ein Beschützerinstinkt für Benachteiligte und Ausgegrenzte“, erzählt Aglibut. So entwickelte sie mit Beginn der Gymnasialzeit ein starkes Bedürfnis, sich neben der Schule für die Anliegen junger Menschen zu engagieren. Auslöser war ein engagierter FSJler, der gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern Projekte anging und verwirklichte. „Mit ihm haben ich und zwei Freundinnen unsere Schülerzeitung ,Sprachrohr‘ gegründet, die wir als Chefredakteurinnen über drei Jahre leiteten, und dank ihm bin ich auf den Verein ,Jugend gegen AIDS e.V.‘ aufmerksam geworden“, erwähnt Aglibut. Begeistert von einem Verein, in dem man etwas bewegen kann, und von einer Vereinskultur, in der man sich aktiv einsetzen und einbringen kann, stürzte sie sich in die Vereinsarbeit. Als Mitglied und kurzzeitige Leiterin der Regionalgruppe nahm sie an Aufklärungskampagnen und Spendenaktionen teil; als ausgebildeter Peer Educator gab sie Workshops an Schulen, um ganzheitliche sexuelle Aufklärung auf Augenhöhe zu leisten. Obwohl sie zu den jüngsten Mitgliedern des Vereins gehörte, wurde sie schließlich Entscheidungsträgerin, organisierte bundesweite Jugendkongresse mit und übernahm in der Öffentlichkeitsarbeit Verantwortung: „So war es mir möglich, mich nicht nur mit Themen zu befassen, sondern auch eigene Themen zu setzen und Position zu beziehen.“
Genauso wie bei einem weiteren Projekt: Gemeinsam mit fünf Freundinnen gestaltete und gab sie über einen Zeitraum von drei Jahren den „Mädchenjahreskalender“ heraus, der zum einen ihren Vorstellungen von einem praktischen und zugleich ästhetischen Layout entsprechen und zum anderen einen inhaltlichen Anspruch erfüllen sollte. „Mit den darin aufgeführten Porträts inspirierender Feministinnen sowie gesellschaftlichen, politischen wie philosophischen Essays haben wir versucht, zum Nachdenken anzuregen und Mädchen in unserem Alter auf Themen aufmerksam zu machen, die auch uns beschäftigten“, erläutert Aglibut. Finanziert wurde das Projekt vom Jugend-Demokratiefonds Berlin, ausgezeichnet wurde es mit der Goldenen Göre, dem höchst dotierten Preis für Kinder- und Jugendbeteiligung in Deutschland, nominiert wurde es für den Clara-Zetkin-Frauenpreis, den üblicherweise hochkarätige Stiftungen, Initiativen und Projekte erhalten.
Mit gesellschaftlichen, politischen wie philosophischen Themen setzte sie sich nicht nur bei ihrer Arbeit am Mädchenjahreskalender auseinander, sondern auch bei ihrer Teilnahme am dreiwöchigen Seminar „Living Together – Navigating Common Grounds“ der Bildungsbewegung „United World College“ in Istanbul. „Dabei habe ich junge Menschen aus Europa, der Türkei und der MENA-Region (Nahost und Nordafrika) und deren Erfahrungen kennengelernt, was sehr prägend für meine Entwicklung war“, berichtet Aglibut. „Denn die Begegnungen haben mir eindrücklich vor Augen geführt, wie privilegiert ich bin, und mein Bewusstsein für Themen wie Ungleichheit und Ungerechtigkeit geschärft.“
Mit dem Wunsch, die Welt besser zu verstehen, begab sich Coco Aglibut auf die Suche nach einem passenden Studiengang und Studienort. Durch ein Gespräch mit einem ZU-Alumnus rückte der SPE-Bachelor und die ZU in ihr Blickfeld. „Danach wusste ich sofort, dass das genau das ist, was ich möchte: ein Studium, das tiefgründige intellektuelle Auseinandersetzung und Engagement vereint, ein Ort, an dem man nicht nur ein Verständnis für Dinge entwickeln kann, sondern auch dazu angehalten wird, Dinge umsetzen und in die Hand zu nehmen“, bemerkt Aglibut.
Kaum an der ZU angekommen, begleitete Coco Aglibut im Rahmen der Initiative „Rock Your Life!“ eine Realschülerin auf ihrem Weg zum Schulabschluss und beteiligte sich als (Vorstands-)Mitglied an den Aktivitäten des Vereins „welt_raum e.V.“, der eine Brücke schlägt zwischen Geflüchteten und Bürgerinnen und Bürgern. Im zweiten Semester nahm sie mit ihrem neuen Freundeskreis die Organisation des Kulturfestivals „Seekult“ in die Hand und kümmerte sich dabei hauptsächlich um das Sponsoring und die Finanzen. Unter dem Veranstaltungsmotto „Parallele Welten“ ging es auch für Coco Aglibut um Fragen rund um die Parallelität unterschiedlichster Existenzen und Identitäten – auf der Welt, auf einem Kontinent, in einer Stadt oder in einer lokalen Gemeinschaft. Auf dem Festival wurden diese Fragen formuliert und künstlerisch und diskursiv behandelt.
Was der Mädchenjahreskalender zur Schulzeit war, das wurde die Hochschulpolitik zur Studienzeit: eine Plattform, um Dinge anzustoßen. „Bereits zu Studienbeginn habe ich mich für verschiedene hochschulpolitische Ämter interessiert“, verrät Aglibut. Im zweiten Studienjahr bekleidete sie das Amt der SPE-Programmschaftssprecherin, im aktuellen vierten Studienjahr ist sie als studentische Senatorin gewählt worden. Ein Ziel, das sie sich während der Senatorenschaft auf die Fahne geschrieben hat, ist eine klimaneutrale Universität. „Damit verbunden ist die Vorstellung, Nachhaltigkeit nicht nur aus der individuellen Perspektive zu betrachten, sondern auch aus der institutionellen“, erklärt Aglibut. Eine AG Nachhaltige ZU ist inzwischen gegründet, ein Audit durch einen Energiemanager ist erfolgt. „Auch wenn erste Maßnahmen bereits getroffen worden sind, so sollen demnächst umfassendere Klimaziele definiert werden“, sagt Aglibut. Überschattet wurden die Vorhaben des diesjährigen Senatoren-Teams jedoch von einer ganz besonderen und neuen Herausforderung: der Corona-Pandemie. „Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben wir ganz genau im Blick gehabt. Wir wollten und wollen ja nichts übersehen und dafür sorgen, dass die Studienvoraussetzungen möglichst gerecht gestaltet werden. Wie wir als ZU mit dieser Situation umgehen, die Ungleichheiten überall verschärft, sagt viel über uns aus“, berichtet Aglibut.
Soziologische Strukturen und Dynamiken zu verstehen: Damit beschäftigte sich die Stipendiatin der Friedrich-Ebert-Stiftung in ihrem Studium. Im Zeppelin-Jahr blickte sie aus soziologischer Perspektive hinter Gefängnismauern und untersuchte, wie im Gefängnis „Karriere“ gemacht wird. In ihrer Bachelorarbeit dagegen hat sie das Glücksspiel als kulturelles Phänomen beleuchtet und dabei vier Aspekte näher untersucht: das Spiel, den Zufall, das Geld und das Risiko. Weil sie sich für die anderen Disziplinen und Diskurse ebenso begeistern kann, hat sie neben gesellschafts- und organisationstheoretischen Kursen Seminare in Wirtschaftstheorie belegt. Trotz ihres ausgeprägten theoretischen Interesses war sie auch einige Semester als Tutorin für Methoden der Empirischen Sozialforschung im Einsatz und arbeitet zurzeit für das Methoden-Center der ZU an einem E-Portfolio zur digitalen Vermittlung von empirischen Methodenkenntnissen. Über kulturwissenschaftliche und kulturgeschichtliche Kurse wiederum kam sie zum Lehrstuhl für Kunsttheorie & Inszenatorische Praxis von Karen van den Berg, wo sie als studentische Hilfskraft das Symposium „Krisen der Realität“ mit der Soziologin Eva Illouz und dem Soziologen Armin Nassehi mitorganisierte.
Nach einem zwischenzeitlichen Praktikum im Büro des Linken-Bundestagsabgeordneten Tobias Pflüger geht es für Coco Aglibut demnächst zu zwei Praktika in Zivilgesellschaft und Wirtschaft: zum einen bei der Tentaja Soziale gGmbH in Berlin, die gesellschaftliche Akteure aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport und Bildung sowie unterschiedlichste soziale Milieus zusammenbringt; zum anderen bei der MEDWING GmbH, die den Personalmangel im Gesundheitswesen beheben und damit einen Beitrag für eine bessere Gesundheitsversorgung und bessere Arbeitsbedingungen für Fachkräfte im Gesundheitsbereich leisten möchte. „Durch die Praktika möchte ich in unterschiedliche Bereiche hineinschnuppern und herausfinden, wie es für mich weitergehen könnte“, beschreibt Aglibut. „Noch bin ich mir nicht sicher, ob mich mein Weg später einmal in die Wissenschaft, in die Politik, in den zivilgesellschaftlichen Bereich oder vielleicht sogar doch in die Juristerei führt.“
Eigentlich bedeutet der Name Aglibut „Herumgehen“ in einem animistisch-ritualen Sinne und stammt von den Philippinen. Ähnlich ist dem Leben von Coco Aglibut keine Richtung vorgegeben, was daran liegt, dass sie ihren Blick nicht nur nach vorne richtet, sondern auch nach links und rechts und darüber hinaus.