Für ihre herausragenden Abschlussarbeiten wurden ZU-Studierende von der Zeppelin UniversitätsGesellschaft (ZUG) erneut mit Awards ausgezeichnet. Mit dem mit 500 Euro dotierten „Best Bachelor Thesis Award“ für die beste PAIR-Bachelor-Arbeit im Spring 2017 wurde der Absolvent Maximilian Klein im Bereich der Politik- und Verwaltungswissenschaften gewürdigt. Womit hat er sich in seiner Bachelor-Arbeit beschäftigt?
Klein: Ich habe mich mit wahrgenommenem Gerechtigkeitsempfinden beim Bau von Energieinfrastrukturen und dessen Einfluss auf die lokale Akzeptanz solcher Projekte befasst. Zum näheren Verständnis dieses Forschungsthemas muss man wissen, dass die soziale Akzeptanz von Energieinfrastrukturen unabdingbar für eine nachhaltige und als legitim empfundene Energiewende ist. Allerdings haben wachsende Protestbewegungen gegen neuerrichtete Übertragungsstromtrassen dazu beigetragen, dass der Netzausbau als Achillesferse der Energiewende erheblich ins Stocken geraten ist.
Meine Thesis beleuchtet solche Trassenkonflikte aus der Perspektive der sozialen Gerechtigkeitsforschung. Konkret wird die relative Wichtigkeit zwischen prozeduralem und distributivem Gerechtigkeitsempfinden für die Akzeptanz einer solchen Stromtrasse untersucht. Überspitzt gefragt: Für welche Gruppierung ist die wahrgenommene (Un-)Gerechtigkeit eines Entscheidungsprozesses relevanter für die (Nicht-)Akzeptanz einer solchen Infrastrukturentscheidung als das eigentliche Ergebnis der Entscheidung? Gibt es Gruppierungen, denen der Prozess „egal“ ist und die ihre Projektakzeptanz nur am schlussendlichen Outcome festmachen? Beobachten wir Gruppierungen, bei denen faire Prozesse die Projektakzeptanz steigern, obwohl das Ergebnis der Entscheidung nicht der ursprünglichen Präferenzordnung entspricht? Wir wirkt sich die wahrgenommene Prozessgerechtigkeit auf die schlussendliche Projektakzeptanz aus? Spielt sie überhaupt eine Rolle? Und wenn ja, unter welchen Bedingungen und für wen?
Hierzu habe ich zwei Gemeinden, die von der umstrittenen Thüringer Strombrücke betroffen sind, im Rahmen einer qualitativen Feldforschung nähergehend beleuchtet, um tiefgreifende Einblicke in die bürgerliche Protestbewegung, die stattgefundenen Entscheidungs- und Planungsprozesse und Gerechtigkeitswahrnehmungen von Bürgern zu erhalten. Die anschließende Analyse verdeutlicht, wie wichtig beide Gerechtigkeitsdimensionen bei der Planung solcher Infrastrukturen sind. Außerdem zeigt eine abgeleitete Typologie auf, unter welchen Bedingungen und für welche Gruppierungen entweder prozedurales oder distributives Gerechtigkeitsempfinden eine dominierende Rolle zur Ausbildung von spezifischen Akzeptanzwerten hat.
Klein: Ich habe mich schon während meines Studiums mit energiepolitischen Fragestellungen im Kontext der Energiewende auseinandergesetzt – allerdings oftmals aus politökonomischer Regulierungsperspektive. Während eines Praktikums in einer Kommunikations- und Public Affairs-Beratung in Berlin bin ich dann zum ersten Mal mit dem Tätigkeitsbereich der Akzeptanzkommunikation und des Akzeptanzmanagements für Energieinfrastrukturen in Berührung gekommen. Nachdem ich mich in die grundsätzliche Literatur eingelesen habe, ist mir erstens aufgefallen, dass diese sozialpsychologische Akzeptanzkomponente bisher in der öffentlichen und auch akademischen Debatte nur stiefmütterlich behandelt wurde und dass insbesondere Fragen im Spannungsfeld zwischen prozeduraler und distributiver Gerechtigkeit als eine Dimension des Akzeptanzkonstruktes kaum behandelt wurden. Meine Idee zur Thesis war geboren – danach ging es an die Formulierung einer konkreten Forschungsfrage und an die Konzeptionalisierung sowie Operationalisierung meines Forschungsdesigns.
Klein: Ich wurde von Dr. Alexander Ruser betreut, mit dem die Zusammenarbeit wirklich ideal verlaufen ist. Besonders habe ich an ihm geschätzt, dass er meine methodischen Vorüberlegungen von Anfang an unterstützt und, wenn nötig, mir weitere Empfehlungen gegeben hat. Mich hat der lockere Austausch, insbesondere über den Stand der Feldforschung und der Datenerhebung, immer wieder bereichert, da Dr. Ruser ganz im Sinne des interdisziplinären Credos der ZU zu ganz unterschiedlichen Themenkomplexen Input liefern konnte. Grundsätzlich habe ich über den gesamten Zeitraum das Gespräch mit ihm in regelmäßigen Abständen gesucht, auch wenn mal keine konkreten Schwierigkeiten bestanden. Mir hat dieser Austausch als Sparring auch die nötige Sicherheit und Vergewisserung geboten, dass ich mich nicht verrenne und hinsichtlich meines Zeitmanagements nicht ganz falsch liege.
Klein: Mir ist insbesondere die qualitative Feldforschung in Erinnerung geblieben, möglicherweise gerade deswegen, weil ich vorher vor allem quantitativ ausgebildet wurde und eine Feldforschung mit ethnographischen Komponenten fast Neuland für mich war. Ich bin an mehreren Wochenenden in die zwei untersuchten Dorfschaften nach Thüringen gefahren – also 500 km früh morgens hin und 500 km spät abends nach Hause nach Friedrichshafen. Das war nicht nur sehr anstrengend, sondern teilweise auch sehr zermürbend, aufwühlend und im Nachgang auch emotional berührend.
Allein der Feldzugang im dörflichen, für mich fremden Kontext erwies sich als erste, recht hohe Hürde. Einige Einwohner haben nur mit mir gesprochen, nachdem ich das Vertrauen gewisser Schlüsselpersonen wie Bürgermeister oder anderweitig engagierter Einwohner gewonnen hatte. Während der Interviews konnte ich detailliert die unterschiedlichen Gerechtigkeitswahrnehmungen zum besagten Trassenbau der Bürger vor Ort nachvollziehen, was mit teils sehr emotionalen Reaktionen der Interviewten einherging: Oft waren diese Interviewten räumlich gar nicht von der Trasse betroffen. Dennoch kam es regelmäßig zu Tränenausbrüchen: Diese Interviewten haben sich manchmal fast über ein Jahrzehnt – letztendlich vergeblich – in einer recht großen und mittlerweile bundesweit bekannten Bürgerinitiative engagiert und waren dementsprechend tief im Prozess involviert. Grundlegende Gerechtigkeits- und Verfahrensprinzipien wurden in diesem Prozess in der entsprechenden Wahrnehmung der Interviewten verletzt. Hier habe ich unter anderem festgestellt: Die oft verbreitete Annahme des Sankt-Florian-Prinzips bei bürgerlichen Widerständen gegen Infrastrukturprojekte ist empirisch so nicht haltbar und stark simplifizierend. Es ging vielen Bürgern, insbesondere natürlich denen, die auch sich in den Prozess eingebracht haben, in ihrer Ablehnungshaltung vielmehr um die ebenbürtige Anerkennung als berechtigte Stakeholder im Entscheidungsprozess, die Einhaltung distributiver und prozeduraler Gerechtigkeitsprinzipien und als gerecht empfundener Umgangsformen sowie den Schutz ihrer Umwelt und Heimat als erweitertem Identifikationsraum.
Klein: Die Zeit meiner BA-Arbeit war in chronologischer Reihenfolge von der Themenfindung bis zur Abgabe spannend, motivierend, anstrengend, demotivierend, aufregend, mühselig, nervig und am Ende doch wieder erfüllend.
Klein: Was man an der ZU hat, wurde mir persönlich immer dann erst bewusst, wenn ich nicht an der ZU war – also im Auslands- und Praxissemester und jetzt eben nach meinem Abschluss. Es sind diese wahnsinnig spannenden Menschen, die man wohl selten in der Dichte an anderen Universitäten findet. Mir fiel das neulich an meiner eigenen Graduierungsfeier das erste Mal richtig auf, dass die Art der Gespräche, die man an der ZU bzw. mit ZUlern führt, oftmals positiv herausstechen und lange in Erinnerung bleiben. Darüber hinaus ist es natürlich das Setting, das fehlen wird: die Kursvielfalt und -größen, die Freiräume zum Engagement, das Seemoser Horn, die Container Uni und auch der neue ZF-Campus. Was ich natürlich jetzt schon vermisse: Schon im März oder April Beachvolleyball zu spielen, danach im See baden zu gehen und dann barfuß in der Seele abzuhängen.