Diese Ringvorlesung widmete sich dem Thema „Vladimir Tatlin
und die Aufhebung der Freiheit“ mit Dr Philipp Kleinmichel von der Zeppelin
Universität.
In ihrer empirischen Form lässt sich die Idee der Freiheit als das Ergebnis einer intellektuellen Produktion beschreiben, die durch das französische und englische Bürgertum des 18. Jahrhunderts beauftragt wurde. Die unzähligen Traktate, systematischen Abhandlungen und Gesetzestexte, in denen sich die Idee aufsuchen und beurteilen lässt, geben auch noch dem heutigen gesellschaftlichen Leben – dem relativ freien Verkehr der Waren, Meinungen und Menschen – ihre objektive und gültige Form. Dabei ist die Geschichte der Produktion und systematischen Entwicklung der Idee der Freiheit nicht von der produktiven Entwicklung der bürgerlichen Kunst zu trennen. Innerhalb des modernen bürgerlichen Lebens bildete die Kunst lange das Spielfeld, in dem die Künstler, Künstlerinnen und Intellektuelle wie auf einer Insel mit der Idee der Freiheit experimentieren. Dabei zeigten diese Experimente bereits Anfang des 20. Jahrhunderts, dass die Realisation der Idee der Freiheit, durch das Spielfeld selbst begrenzt wird. Aus dieser Einsicht zogen die künstlerischen Avantgarden den konsequenten Schluss, dass man aus dem Spielfeld ausbrechen und das Leben selbst künstlerisch transformieren müsse. Und so wie die Entwicklung der bürgerlichen Kunst mit der systematischen Entwicklung der Idee der Freiheit durch das Bürgertum zusammenhängt, so hängt der Versuch der Avantgarden, die bürgerliche Kunst abzuschaffen, mit den systematischen Versuchen der politischen Avantgarden des 20. Jahrhunderts zusammen, die Idee der Freiheit aufzuheben. An Vladimir Tatlins berühmten "Monument für die dritte Internationale" lässt sich dieser Zusammenhang illustrieren und vor dem Horizont eines global operierenden neo-liberalen Bürgertums aktualisieren.
Dr Philipp Kleinmichel studierte Philosophie, Kunst- und Medientheorie in Freiburg, Karlsruhe und New York. Er ist Absolvent des Independent Study Program am Whitney Museum of American Art und war Stipendiat der Akademie Schloss Solitude. Seit 2018 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Zeppelin Universität und war zuvor Lehrbeauftragter u.a. an der Universität Gießen, der Universität Hamburg und der UDK Berlin. Er forscht zum Wandel von Kunst und Massenkultur im digitalen Zeitalter. 2014 erschien "Im Namen der Kunst. Eine Genealogie der politischen Ästhetik".