15.06.2017

Politik der Einfachheit?

Eine Ringvorlesung zu künstlerischen Formen des Reduktionismus


Zwölfteilige öffentliche Ringvorlesung an der Zeppelin Universität zum Thema „Politik der Einfachheit?“


Ausgerichtet von  Professorin Dr. Karen van den Berg und Professor Dr. Jan Söffner

Wenn Populisten im Feld der Politik an Boden gewinnen, scheint es geboten, sich über Strategien der Vereinfachung neu zu verständigen. Dies vor allem deshalb, weil das Problem hier nicht allein die Vereinfachung ist, sondern die Weise, in der vereinfacht wird. In der Ringvorlesung gilt es deshalb unterschiedliche künstlerische Konzepte zu beleuchten, die durch ihre Einfachheit geradezu bestechen und doch alles andere sind als trivial.


Es zählt wohl zu den Schlüsselfragen von Kunst und Literatur, was die schlichte Eleganz einer Komposition von einer trivialen Struktur unterschiedet. Worin besteht die Differenz zwischen schmallippiger Prüderie und reduktionistischer Sinnlichkeit? Was trennt verfälschende Simplifizierung vom geistreichen Kondensat des Komplexen? Was unterscheidet künstlerische von wissenschaftlicher Komplexitätsreduktion – und beide vom Simplizismus?


Verglichen mit ‚Ockham’s Razor‘ – dem aus dem Spätmittelalter stammenden Gebot, sich immer für die einfachere Lösung eines Problems zu entscheiden – gelangt die Einfachheit in den Künsten erst spät zu zentraler Bedeutung; dann aber auf radikale Weise und in mannigfaltigen Spielarten. Seit der Moderne finden sich in der Geschichte der Künste verschiedenste Strömungen, die sich um größtmöglichen Reduktionismus bemühen. Der Dichter Ungaretti etwa reduziert vor ca. einem Jahrhundert Gedichte auf oft nicht mehr als vier Wörter. Der Architekt Ludwig Mies van der Rohe warb 1947 mit dem Gebot „Less is more“ für eine neue schmucklose Architektursprache, die nicht nur auf jede Form von Ornament verzichtete, sondern auch Grundrisse auf ein einfaches geometrisches Formenrepertoire reduzierte und dabei zugleich einer neuen Ökonomie des sozialen Raumes folgt. In der Nachkriegsmoderne erfuhr diese Maßgabe in unterschiedlichen künstlerischen Disziplinen eine beispiellose Konjunktur. Gemeint sind der amerikanische Minimalismus, die Minimal Music, die Konkrete Kunst und die Konkrete Poesie in Europa sowie immer noch aktuelle minimalistische Tendenzen in Design, Tanz und Theater.


Das Bemühen um Schlichtheit entspringt dabei ganz unterschiedlichen mentalen Verfassungen. Diese reichen von einem existentialistischen Purismus über ein konsumkritisch motiviertes Verzichtsdogma bis hin zu fernöstlich inspirierten spirituellen Meditationspraktiken und apollinischer Ordnungsästhetik. Einfachheit scheint entsprechend aus ganz verschiedenen Gründen verlockend zu sein, auch hat sie ganz unterschiedliche Qualitäten. Sie kann sinnlich sein und vornehm, langweilig und ordinär, trivial oder verdichtet, bescheiden oder elitär, monoton oder überraschend.
In der Ringvorlesung stellen Experten aus Kunst und Literatur, Musik, Theater und Tanz, Design und Film Werke vor, die auf den verschiedensten Wegen und mit unterschiedlichen Maßgaben zur Einfachheit gelangen.

In der neuen öf­fent­li­chen Ring­vor­le­sung „Po­li­tik der Ein­fach­heit?“ an der ZU stel­len nun zwölf nam­haf­te Ex­per­ten aus Kunst und Li­te­ra­tur, Musik, Thea­ter und Tanz, De­sign und Film Werke vor, die auf ver­schie­dens­ten Wegen und mit un­ter­schied­li­chen Maß­ga­ben zur Ein­fach­heit ge­lan­gen. Den Auf­takt macht ZU-Pro­fes­so­rin Dr. Karen van den Berg am Diens­tag, 31. Ja­nu­ar, um 19.15 Uhr auf dem ZF Cam­pus der ZU mit einem Vor­trag über „Dan Per­jov­schi und die Po­li­ti­ken der Ein­fach­heit“.

Die wei­te­ren Ter­mi­ne je­weils um 19.15 Uhr auf dem ZF Cam­pus der ZU:

Diens­tag, 7. Fe­bru­ar: Pro­fes­sor Dr. Jan Söff­ner (ZU) über „Sermo hu­mi­lis – Das Ein­fa­che und das Wahre“

Diens­tag, 14. Fe­bru­ar: Pro­fes­sor Dr. Chris­toph Jamme (Leu­pha­na Uni­ver­si­tät Lü­ne­burg) über „Phä­no­me­no­lo­gie des Un­schein­ba­ren“

Diens­tag, 21. Fe­bru­ar: Pro­fes­sor Dr. Olaf Pe­ters (Mar­tin-Lu­ther-Uni­ver­si­tät Hal­le-Wit­ten­berg) über „Ein­fach­heit und Klar­heit – Äs­the­tik und Kunst­po­li­tik im Na­tio­nal­so­zia­lis­mus“

Diens­tag, 28. Fe­bru­ar: Pro­fes­so­rin Dr. Maren Leh­mann (ZU) über „Or­na­ment und Ver­bre­chen“

Diens­tag, 7. März: Dr. Thors­ten Phil­ipp (ZU) über „Sem­pli­cità – Neo­rea­lis­mus und Poe­tik des All­tags im Ita­li­en der Nach­kriegs­pha­se“

Diens­tag, 14. März: Mi­cha­el Lentz (Schrift­stel­ler, Ber­lin) über „In­si­de/Outs­ide – Über die Un­ver­ständ­lich­keit des Ein­fa­chen bei Eugen Gom­rin­ger, Mi­cha­el Lentz und Ror Wolf“

Diens­tag, 21. März: Pro­fes­sor Dr. Oli­ver Fahle (Ruhr-Uni­ver­si­tät Bo­chum) über „Zur fil­mi­schen Äs­the­tik des Null­punkts“

Diens­tag, 28. März: Dr. Klaus Birn­stiel (Uni­ver­si­tät Basel) über „Samp­le/copy/paste – Li­te­ra­ri­sche Prak­ti­ken der Ein­fach­heit zwi­schen Buch- und On­line­kul­tur“

Diens­tag, 4. April: Pro­fes­sor Dr. Phi­lip Ur­sprung (Eid­ge­nös­si­sche Tech­ni­sche Hoch­schu­le Zü­rich) über „Poe­tik des Ein­fa­chen – Peter Zum­t­hors Bru­der Klaus Ka­pel­le“

Diens­tag, 25. April: Dr. Joa­chim Land­kam­mer (ZU) über „Drei­klang, Glöck­chen, Tran­szen­denz – Arvo Pärt zwi­schen Neuer Ein­fach­heit und Well­ness­raum-Mu­sik“

Diens­tag, 2. Mai: Pro­fes­so­rin Dr. Ve­re­na Krie­ger (Fried­rich-Schil­ler-Uni­ver­si­tät Jena) über „Ein­fach­heit der Form – Kom­ple­xi­tät der Er­in­ne­rung. Dani Ka­ra­vans Ge­denk­ort für Wal­ter Ben­ja­min in Port­bou“


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