Zwölfteilige öffentliche Ringvorlesung an der Zeppelin Universität zum Thema „Politik der Einfachheit?“
Ausgerichtet von Professorin Dr. Karen van den Berg und Professor Dr. Jan Söffner
Wenn Populisten im Feld der Politik an Boden gewinnen, scheint es geboten, sich über Strategien der Vereinfachung neu zu verständigen. Dies vor allem deshalb, weil das Problem hier nicht allein die Vereinfachung ist, sondern die Weise, in der vereinfacht wird. In der Ringvorlesung gilt es deshalb unterschiedliche künstlerische Konzepte zu beleuchten, die durch ihre Einfachheit geradezu bestechen und doch alles andere sind als trivial.
Es zählt wohl zu den Schlüsselfragen von Kunst und Literatur, was die schlichte Eleganz einer Komposition von einer trivialen Struktur unterschiedet. Worin besteht die Differenz zwischen schmallippiger Prüderie und reduktionistischer Sinnlichkeit? Was trennt verfälschende Simplifizierung vom geistreichen Kondensat des Komplexen? Was unterscheidet künstlerische von wissenschaftlicher Komplexitätsreduktion – und beide vom Simplizismus?
Verglichen mit ‚Ockham’s Razor‘ – dem aus dem Spätmittelalter stammenden Gebot, sich immer für die einfachere Lösung eines Problems zu entscheiden – gelangt die Einfachheit in den Künsten erst spät zu zentraler Bedeutung; dann aber auf radikale Weise und in mannigfaltigen Spielarten. Seit der Moderne finden sich in der Geschichte der Künste verschiedenste Strömungen, die sich um größtmöglichen Reduktionismus bemühen. Der Dichter Ungaretti etwa reduziert vor ca. einem Jahrhundert Gedichte auf oft nicht mehr als vier Wörter. Der Architekt Ludwig Mies van der Rohe warb 1947 mit dem Gebot „Less is more“ für eine neue schmucklose Architektursprache, die nicht nur auf jede Form von Ornament verzichtete, sondern auch Grundrisse auf ein einfaches geometrisches Formenrepertoire reduzierte und dabei zugleich einer neuen Ökonomie des sozialen Raumes folgt. In der Nachkriegsmoderne erfuhr diese Maßgabe in unterschiedlichen künstlerischen Disziplinen eine beispiellose Konjunktur. Gemeint sind der amerikanische Minimalismus, die Minimal Music, die Konkrete Kunst und die Konkrete Poesie in Europa sowie immer noch aktuelle minimalistische Tendenzen in Design, Tanz und Theater.
Das Bemühen um Schlichtheit entspringt dabei ganz unterschiedlichen mentalen Verfassungen. Diese reichen von einem existentialistischen Purismus über ein konsumkritisch motiviertes Verzichtsdogma bis hin zu fernöstlich inspirierten spirituellen Meditationspraktiken und apollinischer Ordnungsästhetik. Einfachheit scheint entsprechend aus ganz verschiedenen Gründen verlockend zu sein, auch hat sie ganz unterschiedliche Qualitäten. Sie kann sinnlich sein und vornehm, langweilig und ordinär, trivial oder verdichtet, bescheiden oder elitär, monoton oder überraschend.
In der Ringvorlesung stellen Experten aus Kunst und Literatur, Musik, Theater und Tanz, Design und Film Werke vor, die auf den verschiedensten Wegen und mit unterschiedlichen Maßgaben zur Einfachheit gelangen.
In der neuen öffentlichen Ringvorlesung „Politik der Einfachheit?“ an der ZU stellen nun zwölf namhafte Experten aus Kunst und Literatur, Musik, Theater und Tanz, Design und Film Werke vor, die auf verschiedensten Wegen und mit unterschiedlichen Maßgaben zur Einfachheit gelangen. Den Auftakt macht ZU-Professorin Dr. Karen van den Berg am Dienstag, 31. Januar, um 19.15 Uhr auf dem ZF Campus der ZU mit einem Vortrag über „Dan Perjovschi und die Politiken der Einfachheit“.
Die weiteren Termine jeweils um 19.15 Uhr auf dem ZF Campus der ZU:
Dienstag, 7. Februar: Professor Dr. Jan Söffner (ZU) über „Sermo humilis – Das Einfache und das Wahre“
Dienstag, 14. Februar: Professor Dr. Christoph Jamme (Leuphana Universität Lüneburg) über „Phänomenologie des Unscheinbaren“
Dienstag, 21. Februar: Professor Dr. Olaf Peters (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) über „Einfachheit und Klarheit – Ästhetik und Kunstpolitik im Nationalsozialismus“
Dienstag, 28. Februar: Professorin Dr. Maren Lehmann (ZU) über „Ornament und Verbrechen“
Dienstag, 7. März: Dr. Thorsten Philipp (ZU) über „Semplicità – Neorealismus und Poetik des Alltags im Italien der Nachkriegsphase“
Dienstag, 14. März: Michael Lentz (Schriftsteller, Berlin) über „Inside/Outside – Über die Unverständlichkeit des Einfachen bei Eugen Gomringer, Michael Lentz und Ror Wolf“
Dienstag, 21. März: Professor Dr. Oliver Fahle (Ruhr-Universität Bochum) über „Zur filmischen Ästhetik des Nullpunkts“
Dienstag, 28. März: Dr. Klaus Birnstiel (Universität Basel) über „Sample/copy/paste – Literarische Praktiken der Einfachheit zwischen Buch- und Onlinekultur“
Dienstag, 4. April: Professor Dr. Philip Ursprung (Eidgenössische Technische Hochschule Zürich) über „Poetik des Einfachen – Peter Zumthors Bruder Klaus Kapelle“
Dienstag, 25. April: Dr. Joachim Landkammer (ZU) über „Dreiklang, Glöckchen, Transzendenz – Arvo Pärt zwischen Neuer Einfachheit und Wellnessraum-Musik“
Dienstag, 2. Mai: Professorin Dr. Verena Krieger (Friedrich-Schiller-Universität Jena) über „Einfachheit der Form – Komplexität der Erinnerung. Dani Karavans Gedenkort für Walter Benjamin in Portbou“