Die aktuellen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Japan und Taiwan haben Studierende des Friedrichshafener Instituts für Familienunternehmen (FIF) der Zeppelin Universität (ZU) unmittelbar erlebt. Zwei Wochen lang waren die Studierenden des berufsbegleitenden Masterstudiengangs für Familienunternehmertum (eMA FESH), allesamt Nachfolgerinnen und Nachfolger von Familienunternehmen im deutschsprachigen Raum, in den beiden Ländern unterwegs. Neben der japanischen Hauptstadt Tokio und dem kulturellen Zentrum Kyoto führte sie die internationale Lernexpedition auch in die Hauptstadt Taiwans nach Taipeh sowie die umliegenden Industriestandorte.
„Die Zusammenhänge zwischen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Kontexten und den damit verbundenen Konsequenzen für (familien-)unternehmerisches Handeln zu entdecken ist in unserer globalisierten und zunehmend vielfältigen Welt von großer Bedeutung“, berichtet Prof. Dr. Reinhard Prügl, wissenschaftlicher Leiter des FIF, über das Ziel der internationalen Lernexpedition. Ihr Hintergrund: Weltweit werden Familienunternehmen als Organisationen beschrieben, die sehr langfristig denken und handeln sowie oftmals auch international mit Nischenprodukten erfolgreich sind. Gerade Japan, Standort der weltweit ältesten Familienunternehmen, sowie Taiwan als großer Wirtschaftsaufsteiger mit vergleichsweise viel jüngerer Unternehmensstruktur, bieten sich hervorragend zur Erkundung von Familienunternehmen in ganz unterschiedlichen Kontexten an. Mit ganz vielen Fragen im Gepäck machten sich 12 berufsbegleitend Studierende auf die Reise. Neben Reinhard Prügl begleiteten sie FIF-Institutsmanagerin Dr. Ursula Koners und Doktorandin Jana Hauck, die zusammen mit den Teilnehmern selbst die Reiseroute und Programmpunkte zusammengestellt hatten.
Das Programm war ebenso umfangreich wie vielfältig – mehr als 70 Gesprächspartner in drei Städten gaben den Besuchern innerhalb kürzester Zeit hochrelevante Einblicke in die unterschiedlichsten Bereiche der japanischen und taiwanesischen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. So besuchte die ZU-Gruppe in Tokio traditionelle Familienunternehmen in der produzierenden Industrie, wobei neben der Besichtigung der Produktionsstätten auch immer die Diskussion von Themen rund um die Nachfolge von besonderem Interesse war. Der Besuch eines ehemaligen Familienunternehmens, welches mittlerweile im Besitz von Investoren ist, zeigte einige Unterschiede zwischen familien- und investorengeprägtem Management von Unternehmen auf. Darüber hinaus lernten die Studierenden während eines Nachmittags mit der japanischen Vertretung des Family Business Network neben vielen Unternehmerpersönlichkeiten auch einen Familienunternehmer kennen, der als Schwiegersohn adoptiert wurde um die Nachfolge als Familienmitglied antreten zu können – eine japanische Besonderheit.. Besonders bemerkenswert war für die Studierenden, selbst Nachfolger in Familienunternehmen, dass in Japan nicht Wachstum sondern schlicht der Erhalt des Unternehmens für die nächste Generation oberste Priorität hat. Doch auch Tochterfirmen deutscher Familienunternehmen wurden besucht: so zum Beispiel PERI Japan, das in Weißenhorn seinen Hauptsitz hat, und aktuell an dem Bau des neuen Stadtteils Toyosu, welcher Austragungsort der Olympischen Spiele 2020 sein wird, mitarbeitet.
Nach einem Wochenende in Japans kulturellem Zentrum Kyoto führte die Reise weiter nach Taiwan, wo die Unternehmenslandschaft einerseits wesentlich jünger und andererseits vielmehr von modernen Industrien geprägt.
Den Auftakt bildete ein Besuch bei der international agierenden Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG, die über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen informierte – und das in atemberaubender Höhe im 101 Tower, dem höchsten Bürogebäude Taiwans, der bis 2004 das höchste Gebäude der Welt war. Die Studierenden erlangten in Taiwan insbesondere tiefgehende Einblicke in die Digitalindustrie, eine der wichtigsten Industrien Taiwans. Einerseits besuchten sie den taiwanesischen Smartphone-Hersteller HTC, bei dem neben einer Diskussionsrunde mit verschiedenen Managern auch eine spannende Besichtigung der Produktion anstand. Andererseits stand ein Besuch der taiwanesischen Niederlassung von Japan Display Inc. an, einem der weltweit größten Zulieferer von Smartphone-Displays (40% der iPhone-Displays stammen von diesem Hersteller). Neben den Großkonzernen standen auch Besuche bei Familienunternehmen an, bei denen wiederum das Thema Nachfolge im Zentrum stand, sowie ein Treffen mit verschiedensten Vertretern der Startup-Szene. Doch auch die Schattenseiten der florierenden Wirtschaft Taiwans wurden von der Studierendengruppe erkundet. In der Umgebung Taipehs besuchten sie die Nicht-Regierungsorganisation Serve the People Association. Die Organisation setzt sich für die Rechte von Gastarbeitern ein, die unter oftmals prekären Bedingungen arbeiten, und betreibt Unterkünfte für in Notsituationen geratene Gastarbeiter insbesondere von den Philippinen, Indonesien, Malaysia und Thailand.
Der aus Ulm stammende Studierende Patrick Settele resümiert die Reise: „Die Lernexpedition hat uns in nur 14 Tagen die Möglichkeit gegeben, die beiden Länder Japan und Taiwan im wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Kontext kennenzulernen und deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf den deutschsprachigen Raum zu projizieren. Die daraus gewonnen Erkenntnisse und Erfahrungen waren – auch im Hinblick auf unsere eigene Nachfolgesituation – sehr beeindruckend und gaben uns einen intensiven Einblick in die unterschiedlichsten Facetten der geografisch nahen, aber doch so unterschiedlichen Länder.“