Prof Dr Natascha Adamowsky
Ende des 18. Jahrhunderts füllt sich das altvertraute Medium des Äthers mit unheimlichen Kräften und seltsamen Strahlen – elektrischen, magnetischen, odischen, mesmerischen... Gleichzeitig beginnt eine Entwicklung, in deren Verlauf sich neue Medientechniken zur Bemeisterung und Kontrolle ausbreiten, Telegraphen, Eisenbahnschienen, Telefonleitungen, Radio- und Fernsehsender, Mobilfunknetze und jüngst wie ultimativ: das Digitale. Kurzum: Die Welt umspannt sich mit immer neuen Wellen, Strömen und Botschaften, die von Wahnmaschinen und „Beeinflussungsapparaturen“ jeder coleur gesendet werden und vermeintlich alle und alles mit allem und jedem zu verbinden scheinen.
Die Welt rückt zusammen; unzählige Nachrichten, Anrufe, Klicks und Likes massieren täglich Körper und Seelen, eine phänomenale Erfolgsgeschichte der Moderne, die, so die offizielle Lesart, uns Wohlstand, Demokratie und Freiheit gebracht hat. Doch der Fortschritt scheint nicht alle zu erreichen; die ‚totale Vernetzung‘ bringt mit ihrer mangelhaften Transparenz und Kontrolle auch ihre Phantasmen hervor; für einige beginnt ein Leben im Falschen. Und so erklingen seit Beginn des 19. Jahrhunderts „Nothschreie magnetisch Vergifteter”, und Opfer „florid-elektrischer Gedankenwelten“ suchen nach Gehör; Schutz- und Abwehrtechniken, Weltrettungsprojekte und Therapien werden entwickelt, ohne dass die Protagonisten dafür Anerkennung erführen. Der Beitrag verfolgt die historischen Linien vom 19 Jahrhundert bis zum ebenfalls von paranoiden Zügen gekennzeichneten Social-Media-Diskurs und zu den quasi-religiösen Heilserwartungen an digitale Techniken in der Gegenwart.
Natascha Adamowsky ist Medien- und Kulturwissenschaftlerin und hat seit 2020 den Lehrstuhl für Medienkulturwissenschaft mit dem Schwerpunkt Digitale Kulturen an der Universität Passau inne. Zuvor war sie Professorin für Medienwissenschaft im Bereich der Digitalen Medientechnologien an der Universität Siegen, Professorin und Leiterin des Instituts für Medienkulturwissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg sowie Professorin für Kulturwissenschaftliche Ästhetik am Institut für Kulturwissenschaft der Humboldt Universität zu Berlin.
Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen
Publikationen (kleine Auswahl): Technik und Lebendigkeit – Automaten, Androiden, Avatare, Wien 2020; Archäologie der Spezialeffekte, München 2018; Ozeanische Wunder. Entdeckung und Eroberung des Meeres in der Moderne, München 2017; Mysterious Science of the Sea, 1775 – 1943, London 2015; Das Wunder in der Moderne. Eine andere Kulturgeschichte des Fliegens, München 2010; Spielfiguren in virtuellen Welten, Frankfurt 1999.
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