Daniel Falb
Bild: Tineke de Lange
Seit einigen Jahrzehnten kommen Diskursproduzent*innen und Aktivist*innen aus dem linken und rechten Spektrum in Einem überein: der auf Dauer gestellten Empfindung der eigenen Niederlage. Wenn es als apriorisch gesetzt erscheint, dass sich das eigene politische Leben als Kette von Niederlagen darstellen muss, tritt jedoch die Frage nach der Qualität des Mindsets, der politischen Software, die in uns diese Empfindung erzeugt, in den Vordergrund: Vielleicht stimmt etwas mit diesem Mindset nicht und man liegt einfach falsch, so zu empfinden? In seiner Vorlesung verfolgt Daniel Falb eine Genealogie dieser Stimmungslage bis in die Geschichtsphilosophie der Aufklärung zurück und entwirft anhand eigener theoretischer wie literarischer Arbeiten einen radikal anderen Interpretationsrahmen für die Gegenwart: aus evolutionärer deep time erzeugt, unterliegt sie posthumanen Eigendynamiken, denen kein Aufklärungsversprechen beikommt. Das neue Szenario wird mittels Lektüren von Graeber/Wengrow und des Komplexitätstheoretikers Peter Turchin erhärtet und illustriert.
Daniel Falb ist Lyriker und Theoretiker. Er lebt und arbeitet in Berlin, wo er Philosophie studierte und mit einer Arbeit zum Begriff der Kollektivität promovierte. Er veröffentlichte vier Gedichtbände im Verlag kookbooks, zuletzt Orchidee und Technofossil (2019). Daneben hat Falb zur Geophilosophie, zur Theorie der Weltbevölkerung sowie zu Fragen von Poetik und Kunsttheorie gearbeitet. Nach Anthropozän. Dichtung in der Gegenwartsgeologie (Verlagshaus Berlin 2015) erschien 2019 der Essay Geospekulationen. Metaphysik für die Erde im Anthropozän (Merve). Falbs letzte Veröffentlichungen sind COVID und Lebensform (Merve 2021), eine Sammlung von Essays und Gedichten zur Covidpandemie, sowie der philosophische Bildessay Mystique der Weltbevölkerung (Merve 2022). In Frühjahr 2023 erscheint der Gedichtband Deutschland. Ein Weltmärchen (In leichter Sprache) bei kookbooks.
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