Maren Lehmann | Schöpferische Zerstörung«
Nie wurde der Kreativitätsbegriff so inflationär verwendet wie heute; von kreativen Städten, kreativen Industrien, kreativen Klassen und einem allgegenwärtigen Kreativimperativ ist die Rede. Immer mehr Diagnosen besagen, dass wir in einem Zeitalter beinahe zwanghafter Massenkreativität leben. Ein solches Selbstverständnis zieht auch eine andere Perspektive auf die Kunstgeschichte nach sich, denn damit verschiebt sich die Bedeutung, die einzelnen Werken und ihren Schöpfern beigemessen wird. Längst sind Begriffe wie „Meisterschaft“, „Schöpfer“ und „Genie“ suspekt geworden. Meist werden sie einer konservativ-bildungsbürgerlichen Sphäre zugerechnet, die mit den emanzipatorischen Idealen einer pluralistischen Gesellschaft nur schwer vereinbar scheint.
Die Ringvorlesung verfolgt die Frage, wie sich Autorschaft, Subjektivität und Vorgänge der massenhaften Verbreitung zueinander verhalten.
Der amerikanische Maler Phillip Guston bemerkte in einer Diskussion: „Painting and sculpture are very archaic forms. It’s the only thing left in our industrial society where an individual alone can make something with not just his own hands, but brains, imagination, heart maybe.“ Zählt es also auch heute noch zu den entscheidenden gesellschaftlichen Funktionen von Kunst, Subjektivität zu behaupten? Wie stellt sich Subjektivität in historischen Beispielen dar? Wie situieren sich einzelne Werke, die man geneigt ist, als Schlüsselwerke der Kunstgeschichte anzusehen, vor diesem Hintergrund?
Im Rahmen der Ringvorlesung gehen Experten aus den Bereichen Kunst-, Musik-, und Literatur- und Filmwissenschaft ausgehend von einzelnen Werken oder Werkgruppen auf diese Fragen ein.
Der Vortrag von Maren Lehmann diskutiert theologische und künstlerische Variationen eines aus der politisch-ökonomischen Theorie der Revolution bekannten Motivs: der schöpferischen Zerstörung als einer »industriellen Mutation« (Schumpeter), von der nichts bleibt als ein unvermeidlich anwachsender »Trümmerhaufen« (Benjamin). Dem entgehe niemand, meinten die Zeitgenossen - auch der ›Schöpferische‹ nicht, und doch nur der ›Schöpferische‹. Die Kunst gerät in ein Spannungsfeld von Industrie (Design) und Ideologie (Reklame), das übersät ist von Meisterwerken: Trümmern der Moderne. Diese Beobachtung wird anhand der europäischen Avantgarde zwischen Zürich/Hannover (Ball, Schwitters), Weimar/Dessau (Klee, Kandinsky) und Petersburg (Malewitsch) ausgeführt.
weitere Termine der Ringvorlesung:
31.03.2015: Prof Dr Gottfried Boehm: „Fragilität der Originale“
14.04.2015: Dr Thorsten Philipp: „Nur Spiel, kein Ziel: Postmoderne Ästhetik der Oberfläche in Umberto Ecos ,Il nome della rosa‘“
28.04.2015: Prof Dr Schmidt-Wulffen: „,Alle Künstler sind Menschen‘. Kippenberger entwirft Kippenberger“
05.05.2015: Prof Dr Karen van den Berg: abschließende Sitzung
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