Gabriele D'Annunzio und Natale Palli vor dem „Flug auf Wien“, 9. August 1918
Apokalypse als Weltrettung oder Weltrettung als Apokalypse? Der Erste Weltkrieg, von Italien aus gesehen
Im Italien der Jahrhundertwende scheint, wie in vielen europäischen Ländern, von apokalyptischen Szenarien eine merkwürdige, heute schwer verständliche Faszination ausgegangen zu sein: Einige der bekanntesten Schriftsteller und Intellektuellen des jungen Nationalstaats sahen Krieg, Zerstörung und eine völlige Auflösung der Gesellschaft als ersehnte Chance der Erneuerung, als bitter nötige Rettung aus einer degenerierten, selbstzufriedenen und schwachen Zivilisiertheit. Der Vortrag wird diesem Verständnis von Apokalypse als Weltrettung in Texten des berühmtesten Vertreters des italienischen Ästhetizismus, Gabriele d'Annunzio, und des Gründers des Futurismus, Filippo Tommaso Marinetti, nachspüren. Sie wird die dort offen zur Schau gestellte Faszination für Krieg und Zerstörung, den Heldenkult und die Ästhetisierung von Gewalt in den kulturellen Kontext aus medizinischen und philosophischen Degenerationstheorien einrücken. Sie wird aber auch nachzeichnen, was passierte, als das intellektuelle Liebäugeln mit der Notwendigkeit des Krieges (und mit der Schönheit der ‚Krieger‘) mit der brutalen, schmutzigen Realität und dem Elend des Ersten Weltkrieges kollidierte. Und nicht zuletzt wird sie eine Gegenstimme zu Wort kommen lassen: diejenige des italienisch schreibenden, aber im österreich-ungarischen Triest lebenden Schriftstellers Italo Svevo, für den gerade eine ‚gerettete‘ Welt ganz ohne Schwäche und ohne Krankheiten die Apokalypse wäre.
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