Prof Dr Maren Lehmann (ZU): Sehen, Beobachten, Zeichnen - Versuch über Adolph Menzel
Vermutlich wäre in einem Vortrag zu den »Ökonomien der Sichtbarkeit« vor allem zu ersterem etwas zu sagen: zu den Ökonomien eben, zumal der Plural einen Vorrang andeutet. Es ist zwar selbstverständlich, darunter handwerkliche oder industrielle Formen der Produktion zu verstehen, die irgendwie mit Ressourcenknappheit einerseits und mit Gewinnphantasie andererseits, mit Bedürftigkeit einerseits und mit Überfluß andererseits, mit Wertschöpfung einerseits und mit Müll andererseits zurechtkommen müssen. Aber auch zu letzterem wäre einiges zu sagen: zur Sichtbarkeit, und der erste Satz dabei müßte in dem Hinweis liegen, daß auch diese nur im Plural möglich ist. Sie umfaßt das optische Mögliche in seiner unerschöpflichen Varianz, die Kontingenz der Formen und Medien des Sehens. An Menzel läßt sich lernen, daß dies weder nur natürliche Formen (z.B. Augen) noch nur technische Formen (z.B. Kameras) sind, sondern vor allem praktische Formen: Menzel zeichnet nicht, was er sieht – er sieht, indem er zeichnet.
Der Vortrag wird versuchen, dieser Anfangsüberlegung in drei Schritten nachzugehen: 1) Sichtbarkeit als praktisches Problem, mit einem Exkurs über das Potential von Handicaps; 2) Theorie der Skizze, mit einem Exkurs über die Produktivität des Flüchtigen und Vorläufigen; 3) Was heißt »Sehen«?, mit einem Exkurs über das Zeichnen als Notation und als Spekulation.