Friedrichshafen. In dem mehrjährigen Forschungsprojekt „ECR – Experimental Concert Research“ hat eine Forschergruppe erstmals detailliert nachweisen können, dass sich bei einem Konzertbesuch die Herz- und Atemfrequenz sowie die Bewegungen der Konzertbesucher synchronisieren. Diese Ergebnisse haben die Forschenden der Universität Bern, dem Max Planck-Institut für empirische Ästhetik in Frankfurt/Main sowie der Zeppelin Universität (ZU) im Wissenschaftsmagazin „scientific reports“ veröffentlicht.
„Wenn Menschen gemeinsam Musik im Konzert hören, schafft das auch eine körperliche Verbindung zwischen ihnen, Synchronisation ist ein Bestandteil des Konzerterlebnisses“, sagt Wolfgang Tschacher, emeritierter Professor an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Bern und Erstautor der Studie. Die Forschenden fanden außerdem heraus, dass Persönlichkeitseigenschaften den individuellen Beitrag zur Gruppensynchronie hervorsagen können und dass eine stärkere Synchronisation mit einem immersiveren Musikerlebnis zusammenhängt.
„Dass die Musikerfahrung, auch bei klassischer Musik, nicht nur geistig, sondern auch körperlich ist, ahnten wir schon lange, nun konnte das auch im Konzert gezeigt werden“, sagt Martin Tröndle, Professor an der Zeppelin Universität. Er ist der wissenschaftliche Leiter des Forschungsprojektes, das von der Volkswagen-Stiftung im Bereich „Offen für Außergewöhnliches“ gefördert wird. Das Forschungsprojekt zeichnet sich dadurch aus, dass erstmals umfangreiche Daten in realen Konzerten erhoben wurden und nicht im Labor.
Auch die Motivationen, Erwartungen und tatsächlichen Erfahrungen der Konzertbesucher wurden untersucht. Dabei zeigt sich nicht nur, dass es klar unterschiedliche Konzert- und Hörertypen gibt, sondern auch, dass sie mit verschiedenen Motivationen ins Konzert gehen und verschieden Hören. Diese Ergebnisse sind für Konzertveranstalter weltweit relevant, wenn sie verstehen möchten, wie sie in Zukunft ihre Publika ansprechen wollen und was sie ihnen bieten müssen, damit sie ein erfülltes Konzerterlebnis haben.
Die Ergebnisse zur Synchronie zeigen, dass das klassische Konzert – als Ort des gemeinsamen Hörens in Anwesenheit der Musikerinnen und Musiker – weiterhin großes Potenzial hat, Gemeinschaft zu bilden. Die Ergebnisse zu den Erwartungen und Erfahrungen zeigen, dass das Konzert weitere Entwicklungen nehmen kann, um diese Gemeinschaftseffekte noch zu verstärken und das klassische Konzert als Erlebnis noch attraktiver zu machen.
Diese und viele weitere Ergebnisse des Forschungsprojektes ECR werden auf der zweitägigen Konferenz „The Future of the Classical Concert“ vorgestellt. Sie findet am 29. und 30. November an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen statt. Highlights werden die Keynotes zweier besonderer Speaker sein: Alex Ross, ein bekannter Musikkritiker bei The New Yorker und Autor mehrerer Fachbücher, und Peter Peters, ein niederländischer Journalist und Wissenschaftler, der sich ganz der klassischen Musik verschrieben hat.
Weitere Information zur Konferenz und Anmeldung unter: www.future-of-the-concert.org
Fotos: Phil Dera