Studierende der ZU beschäftigen sich von ihrem Studienstart an mit Fragen und Problemen, für die sich durch Forschung Antworten und Lösungen finden lassen, die aber auch neue Fragen und Probleme aufwerfen, denen sich das anschließende Studium widmen kann.
Diesem forschenden Studium widmet sich das Zeppelin Projekt. Es steht immer unter einem Rahmenthema, das unter den Kriterien interdisziplinärer Offenheit, disziplinärer Präzisierbarkeit und gesellschaftlicher Aktualität ausgewählt wird. So ist in diesem Jahr das Thema: (Welt)-Bürgerkriege. Die Studierende werden dabei in ihrem Forschungsprojekt von Professorinnen und Professoren unterstützt.
In Rahmen der Einführungswoche diskutierten die verantwortlichen Professorinnen und Professoren in Rahmen einer Podiumsdiskussion ihre Prespektiven auf das Oberthema mit den Studienstartern.
Soziologische Perspektive (Prof Dr Maren Lehmann)
Der „Weltbürgerkrieg“ ist kein soziologischer Begriff, sondern eine geschichtsphilosophische Metapher, die die Ausdehnung von nationalen und regionalen Konflikten zu weltweiten Konflikten zu beschreiben versucht. Der soziologische Begriff wäre noch zu bilden; dem dient diese Lehrveranstaltung. Die Ausgangsüberlegung lautet: An die Stelle territorial begrenzter kriegerischer Auseinandersetzungen, die sich um knappe Ressourcen drehen (Zugang zum Meer oder zu schiffbaren Flüssen, Öffnung von Landpassagen, Zugang zu Bodenschätzen usw.), treten territorial unbegrenzte Kriege, die sich um Werte oder Ideologien drehen. Deswegen, so wird vermutet, treten Bürgerkriege und Weltbürgerkriege vor allem (und dann meist unter dem Namen „Terrorismus“) im Umfeld der neuzeitlich-modernen Revolutionen seit 1789 auf. Man hat es, könnte man sagen, mit einem negativen, ja sogar perversen Effekt jenes Wandels von materialistischen zu postmaterialistischen Werten zu tun, den die Soziologie für einen grundlegenden Begleiteffekt der Modernisierung hält. Vorlesung und Seminar werden sich daher zunächst mit der Frage auseinandersetzen, wie plausibel die genannten Entgrenzungsannahmen sind. Im Anschluß wird nach der Sozialform des Krieges im Kontext der bürgerlichen Gesellschaft gefragt, um sich von da aus einer soziologischen Analyse des aktuellen Weltterrorismus nähern zu können.
Kulturwissenschaftliche Perspektive (Prof Dr Gloria Meynen)
Der Titel des diesjährigen Zeppelinjahrs „(Welt-)Bürgerkriege“ legt die Welt in Klammern – der kultur- und medienwissenschaftliche Schwerpunkt nimmt die Klammer zum Anlass, um eine Unschärfe zu thematisieren. Mit dem Ende des Kalten Krieges, dem Fall der Mauer und Zerfall der bipolaren Weltordnung, so kann man immer wieder lesen, seien auch die klassischen Staatenkriege verschwunden. Die Geschichts- und Gesellschaftswissenschaften bezeichnen sie häufig ex negativo. Sie hätten keine klaren Fronten und mieden jede Entscheidungsschlacht – seien transnational, asymmetrisch und potentiell unendlich. Die Methoden und Analyseinstrumenten versagen bei einem Phänomen, das sich offenbar nur schwer in Raum und Zeit eingrenzen lässt. Die Negationen verweisen nicht nur auf ein terminologisches Vakuum. (Welt-)Bürgerkriege lassen sich nicht einklammern: Sie sind weder Weltkriege, noch Bürgerkriege. In systematischer wie strategischer Hinsicht scheinen sie mit der Entgrenzung zu rechnen – diese schwarze These der Globalisierung soll in der kultur- und medienwissenschaftlichen Fachperspektive des Zeppelinjahrs genauer untersucht und befragt werden.
Politikwissenschaftliche Perspektive (Prof Dr Manuela Spindler)
Politikwissenschaftler und Politikwissenschaftlerinnen haben traditionell die Veränderung bzw. die Transformation von „Staat“, „Staatlichkeit“ und „Staatensystem“ im Blick – ist doch der Begriff des Politischen historisch, praktisch-politisch, geistesgeschichtlich und auch theoretisch untrennbar mit der Herausbildung und Entwicklung des modernen Territorial- und Nationalstaates westlicher Prägung im Europäischen Kontext verknüpft. Die gegenwärtigen Verwerfungen in der internationalen Politik, insbesondere bis heute nicht gelöste, komplexe Konflikte wie der Syrien- oder der Ukraine-Konflikt, stellen sowohl die Erklärungspotenziale der politikwissenschaftlichen Disziplin(en), ihre praktisch-politische Relevanz (also ihre gesellschaftliche und politische Wirkungsmächtigkeit) und auch die Konfliktbearbeitungsstrategien gegenwärtiger internationaler Politik auf den Prüfstein.
Ökonomische Perspektive (Prof Dr Jarko Fidrmuc)
Warum sollten Länder Kriege führen, wenn sie miteinander handeln können?
Der Kampf um ökonomische Ressourcen wird oft als eine der wichtigsten Ursachen von Kriegen gesehen. Dabei ist der Kriegsausgang immer ungewiss und die Kriegsführung selbst mit erheblichen Kosten verbunden und ein Krieg kann lange, wirklich sehr lange dauern. Die Folgen von Kriegen, unter anderem auf die institutionellen Entwicklungen, können die weitere Entwicklung für Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte belasten. Im Allgemeinen zerstört jeder Krieg mehr Ressourcen, als das Siegerland für sich beanspruchen kann. Aus der ökonomischen Betrachtung ist deshalb jeder Krieg ineffizient und nicht rational, in anderen Worten nicht ökonomisch. Im Außenhandel werden die Ressourcen global so verteilt, dass der effizienteste Produzent sie benutzen und damit den höchsten Ertrag erzielen kann. Durch den freien Handel werden Marktpreise geschaffen, von welchen die ursprünglichen Eigentümer der natürlichen Ressourcen, die Produzenten, und nicht zuletzt die Konsumenten den höchsten Nutzen haben. Die hypothetische Welt des Homo Oeconomicus wäre vielleicht nicht schöner als die wirkliche Welt, aber es wäre eine friedlichere Welt. Oder doch nicht?