Ob in Indien, Venezuela oder Australien, ganz zu schweigen von den skandinavischen Ländern: Maßnahmen zur Abschaffung des Bargeldes liegen derzeit voll im Trend. Begründet werden diese Vorkehrungen mit der Bekämpfung von Korruption und Schattenwirtschaft. Doch Gegner des bargeldlosen Zahlungsverkehrs führen an, dass es dabei um mehr geht: um Steuerung der Finanzströme, Kontrolle über Sparguthaben und Überwachung der Bürger. Was sagen führende Ökonomen und was sind weitere Vor- und Nachteile einer bargeldlosen Wirtschaft? Diesen Fragen geht ZU-Professor Marcel Tyrell auf den Grund.
Die Geldpolitik ist immer für Überraschungen gut. Aber das, was der indische Ministerpräsident Narendra Modi Mitte November veranlasste, war dann doch ein Coup, der seinesgleichen sucht: Ohne Vorwarnung ließ er in einer Nacht- und Nebelaktion alle 500- und 1.000-Rupienscheine entwerten, ein plötzlicher Entzug von nahezu 85 Prozent des gesamten Bargeldumlaufes in Indien. Die Entscheidung wurde seitens der indischen Regierung damit begründet, dass dies notwendig sei, um Korruption und Schattenwirtschaft, die in Indien für ungefähr 20 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung stehen, zu bekämpfen. Aber es schien auch klar zu sein, dass die indische Regierung in Richtung einer bargeldlosen Volkswirtschaft steuern wollte. Denn es konnten zwar vier Wochen lang bei Banken alte Scheine – meist gegen Aufnahme von Personalien – in neue umgetauscht werden, aber der Prozess war langwierig und schlecht organisiert, so dass der indische Finanzminister folgerichtig die Menschen aufrief, möglichst den elektronischen Zahlungsverkehr zu nutzen.
Ist also der Überraschungscoup in Indien der erste Schritt eines „globalen Krieges gegen das Bargeld“? So titulierte jedenfalls die Frankfurter Allgemeine Zeitung in einem kürzlich erschienenen Artikel. Denn auch andere Staaten zeigen Interesse am indischen Vorgehen, es häufen sich zudem in verschiedenen Ländern Einschränkungen im Gebrauch von Bargeld. Doch warum sollte man überhaupt das Bargeld bekämpfen?