An der Zeppelin Universität können Studierende Seminare selbst mitgestalten. Diese "StudentStudies" sind Wahlpflichtmodule, die inhaltlich nicht im Curriculum enthalten sind und von Studierenden initiiert werden. Doch wie kommt man auf die Idee einer StudentStudy und wie gestaltet sich die Umsetzung?
Die PAIR-Studenten Andreas Krumtung und Lorenz Narku Laing haben im Fall 2016 eine StudentStudy zu dem Thema "Korrpution in Deutschland" veranstaltet und diesem Rahmen auch eine Exkursion nach Berlin gemacht. Im Interview erzählen sie von ihren Erfahrungen.
Krumtung: Da muss ich ein bisschen ausholen: Ich war ein Jahr lang Vorstand des studentischen Club of International Politics e. V. In dieser Zeit hatten wir eine Veranstaltung mit dem Deutschen Botschafter bei den Vereinten Nationen, Dr. Harald Braun, organisiert. Bei einem gemeinsamen Abendessen nach unserer Veranstaltung kamen wir auf die Gründe zu sprechen, die Herrn Dr. Braun dazu bewegt haben unserer Einladung an die Zeppelin Universität nach Friedrichshafen zu folgen. Er sagte sinngemäß, dass er den Studiengang Politics, Administration & International Relations sehr dafür geeignet halte, junge Menschen auszubilden, die in der Lage seien sich eines der wichtigsten Themen überhaupt anzunehmen: der Korruption. Das war ein Thema, das bis dahin zu wenig Berücksichtigung auf meiner persönlichen Agenda fand. Mein Interesse war geweckt und nach einem Blick ins Curriculum war klar, dass ich hier selber tätig werden muss, wenn ich mich im Rahmen meines Studiums damit beschäftigen will. In Gesprächen mit Kommilitonen wurde schnell klar, dass auch andere großes Interesse an diesem Thema hatten und mit Narku fand ich jemanden, mit dem sich hervorragend zusammenarbeiten und ein Seminar organisieren lies.
Laing: Ich schließe mich Andreas da sehr gerne an. Wir haben früh gemerkt, dass Andreas Erfahrungen im öffentlichen Dienst und mein soziologischer Blick ein gutes Match-Up bilden. Meine Motivation für das Seminar hatte drei Standbeine: Erstens wird Korruption häufig als ein sehr zentrales Problem vieler Gesellschaften benannt. Zweitens scheint das Thema Korruption gewissermaßen eine zeitlose Aktualität zu haben. Drittens wird zwar alltäglich von Korruption gesprochen, aber die wenigsten Menschen können das Phänomen genauer erklären oder definieren. Meistens einigt man sich schnell darauf Korruption zu vermeiden, aber die vielen Wege zu diesem Ziel bleiben unbesprochen. Daher wollte ich mich tiefergehend damit beschäftigen.
Laing: Es ist schlichtweg zu einfach auf andere Länder zu verweisen und zu sagen: "Hey, aber dort ist es doch viel schlimmer." Da können wir beispielsweise den entwicklungspolitischen Diskurs heranziehen. Stets begegnet mir dort die These, es gäbe "korrupte" Länder des Globalen Südens und einen weitgehend rechtsstaatlichen Westen. Allerdings erschien uns gerade nach den "Panama Papers", dem "NSU-Skandal" oder dem "Siemens-Skandal" die Annahme Korruption als Phänomen betrifft uns in Deutschland nicht, als unplausibel. Deshalb wollten wir nun unbedingt wissen, wie weitreichend das Korruptionsproblem in Deutschland ist und weshalb hierzu ein so geringes Problembewusstsein besteht. Als Kompromiss zwischen dieser häufig gestellten Frage und unseres Erkenntnisinteresses, haben wir uns entschieden zunächst theoretische Grundlagenforschung in den Vordergrund zu stellen. So haben wir auf andere Länder übertragbare Wissensangebote geschaffen und konnten zugleich einen breiten Korruptionsansatz verfolgen. Dann haben wir uns dem Länderfokus Deutschland zugewandt. Weiterhin möchte ich Ihnen ein stückweit widersprechen. Im öffentlichen Diskurs rund um das Thema Lobbyismus wird immer wieder über Korruption gesprochen. Selbstverständlich ist Lobbyismus und andere Formen von Interessensvertretung für Demokratien von zentraler Bedeutung. Wäre ja schade, wenn ein Gesetz über Mütter entsteht, ohne dass zuvor eine Mutter angehört wird. Dennoch war es für uns wichtig sich im Rahmen unserer Berlinexkursion mit den Grenzen und Ungleichgewichtigen in der bundesdeutschen Interessensvertretung zu beschäftigen.
Krumtung: An der Uni gibt es ja das Format der StudentStudies, dass genau für solche Fälle gemacht ist. Dabei erhalten Studierende die ein eigenes Seminar auf die Beine stellen wollen finanzielle und organisatorische Unterstützung. Dafür muss zunächst ein Konzept eingereicht werden das sich darüber hinaus in einem kompetitiven Verfahren gegen andere eingereichte Konzepte durchsetzen muss. Schließlich können nicht alle Ideen auch wirklich gefördert werden. Aber in der Regel erhält ein Konzept je Studiengang Unterstützung. Für das Konzept mussten wir uns schon intensiv mit dem Thema auseinandersetzen und die Kursplanung erarbeiten. Dabei entschieden wir uns, das Seminar zweiteilig in einer Theorie- und Praxisphase durchzuführen. Dadurch wurde natürlich die Kostenplanung etwas aufwendiger aber das Seminar auch deutlich attraktiver. Nachdem unser Konzept ausgewählt und zugelassen wurde, gab es eigentlich gar nicht mehr so viel zu tun. Wir hatten im Vorfeld schon sehr intensiv gearbeitet und viele Möglichkeiten ausgelotet, so dass wir uns nur noch um die konkrete Zeitplanung und Koordination der Dozenten kümmern mussten. Insgesamt haben wir ein 5-tägiges Theorieseminar mit PD Dr. Sebastian Wolf an der Uni in Friedrichshafen und ein 4-tägiges Praxisseminar in Berlin durchgeführt.
Laing: Generell war es zunächst erstmal spannend bei Besuchen vor Ort die Unterschiede zwischen einer Unternehmensberatung wie dem Bereich "Fraud Investigation" von EY und beispielsweise einer Nichtregierungsorganisation wie "Transparency International Deutschland" im Umgang mit Korruption herauszuarbeiten. Weiterhin haben die Gespräche mit der NGO "Reporter ohne Grenzen" oder mit dem Fachanwalt Dr. Rainer Frank uns die Komplexität von Korruptionsbemessung sehr verdeutlicht. Zuletzt bleibt der intensive Diskurs mit hauptberuflichen Lobbyisten von der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung oder dem Geschäftsführer vom Deutschen Zigarettenverband ein Highlight für viele Teilnehmende.
Krumtung: Wir hatten den Theorieteil ja als Grundlagenseminar konzipiert und uns dabei einer breiten Korruptionsdefinition bedient. Entsprechend haben wir alle Bereiche der Korruption berührt und sind jetzt in der Lage, die verschiedenen Korruptionstatbestände voneinander zu unterscheiden und hinsichtlich ihrer Relevanz für verschiedene Stakeholder zu diskutieren. In der Praxisphase konnten wir unser Grundlagenwissen nutzen, um mit Experten über deren jeweiliges Arbeitsfeld zu diskutieren und ihre Arbeit kritisch zu reflektieren und zu hinterfragen. Ich denke, das war der wertvollste Teil des Seminares. In direktem Kontakt mit ausgewiesenen Experten und Erfahrungsträgern, aus ganz unterschiedlichen Perspektiven die gleichen Sachverhalte zu diskutieren und dabei buchstäblich zu erleben, dass eine Medaille immer zwei Seiten hat.
Laing: Sehr gerne wieder. Andreas hat mit seinen sehr guten Kenntnissen im Projektmanagement die Abläufe ungemein erleichtert und es war schön ein gemeinsames Projekt von der Idee bis zur Evaluation gedeihen zu sehen. "Student Studies" sind eine ausgezeichnete Möglichkeit sein Studium aktiv zu gestalten und selbstbestimmt Themen zu setzen. Weiterhin war der enge thematische Zuschnitt sehr belebend, weil es möglich war sehr tief zu bohren. Am Ende waren es für mich das interdisziplinare Seminarkonzept und die Diskussionen mit den Gesprächspartnern vor Ort, die dem Seminar sehr spannende Wendungen gaben.
Krumtung: Auf jeden Fall! Wenn ich noch ein paar Semester länger studieren könnte, würde ich noch die eine oder andere Idee umsetzen wollen. Und ganz ehrlich: Der Aufwand ist gar nicht so groß. Wenn man so professionell wie mit Narku zusammenarbeiten kann, macht die Arbeit auch sehr viel Spaß. Das Beste daran ist, wenn man es selber organisiert hat, hat man auch deutlich mehr gelernt, als wenn man nur am Seminar teilgenommen hätte. Vor allem die vielen Hintergrund- und Akquise Gespräche mit den Akteuren aus der Praxis und die inhaltliche Konzeption im Vorfeld haben viel zum individuellen Lernerfolg beigetragen.