Der Lehrstuhl für Sozioökonomik untersucht das Entwicklungsverhältnis von Kultur und Ökonomie in einer erweiterten Nachhaltigkeitsperspektive. Jede Kultur hat eine ökonomische Basis, und diese wiederum ist kulturell geprägt. In Frankreich etwa wird anders gewirtschaftet als in Deutschland, es wird anders geführt, anders qualifiziert, und es werden andere Produkte produziert. Aber auch auf regionaler Ebene und organisationaler Ebene spielen kulturelle Einflüsse und Unterschiede eine Rolle. Längerfristig entstandene Abteilungs- und Unternehmenskulturen ermöglichen Firmen bestimmte Innovationsstrategien und erschweren andere.
Unser zentraler Zugang zum Studium solcher Wechselwirkungen ist es, das Verhältnis von Intentionen und Handlungsfolgen zu untersuchen, auf allen Ebenen (individuelles Handeln, kollektives in Unternehmen, Non-Profit-Organisationen und Behörden, institutionelle Akteure in Region/Staat). Auf Grundlage ihrer jeweiligen kulturellen Verfassung verfolgen diese Akteure Strategien, die neben beabsichtigten auch unbeabsichtigte Handlungsfolgen bzw. Nebenfolgen haben. Der Klimawandel ist ein Beispiel für letztere, und der Emissionshandel ist ein Beispiel für politische Antworten darauf, die wiederum eigene Nebenfolgen haben.
Im Mittelpunkt unseres Interesses steht, wie die individuellen und institutionellen Akteure ihre Probemlösekompetenz und Innovationsfähigkeit entwickeln. Reflexivität ist der Maßstab, mit dem wir die wichtigste Voraussetzung messen: die subjektive oder auch institutionell verankerte Fähigkeit, eigene Vorannahmen und das eigene Handeln selbstkritisch zu betrachten und aus Nebenfolgen zu lernen. Kreativität ist das Maß, anhand dessen wir daraus entstehende neue Lösungen bewerten. Unternehmerisches Handeln verstehen wir dabei mit Schumpeter als kreatives, den Wirtschaftsprozess immer wieder unvorhersehbar beeinflussendes Element, welches in modernen Gesellschaften bei weitem über die Unternehmerfunktion hinausgeht.
Nachhaltigkeit ist dabei die überwölbende Fragestellung, der Horizont unserer Forschung und Lehre. Unser Verständnis von Nachhaltigkeit ist polychrom, vielfarbig. Uns interessiert nicht nur, welche Auswirkungen die Wirtschaftstätigkeit auf die natürliche Umwelt hat und ob sie durchhaltbar ist („grüne Nachhaltigkeit“), sondern auch, ob sie gut für die Menschen ist. Und wenn ja oder nein, für welche, und in welcher Beziehung? Kann man vom Einkommen leben? Ist eine bestimmte Wirtschaftspraxis gut für den sozialen Zusammenhalt (Sozialkapital, „rote Nachhaltigkeit“)? Welche Wirkungen hat sie auf die Vertrauensbeziehungen in einem Unternehmen oder einer Kommune (Symbolkapital, „gelbe Nachhaltigkeit“)? Was trägt sie zur Entwicklung oder zur Erosion von Qualifikationen, Sinnbedürfnissen und Sozialintegration bei („violette Nachhaltigkeit“)?
Im Grunde sind das die klassischen Fragen der Philosophie: Was ist Gutes Leben? Und wie ist Gute Gesellschaft möglich? In einer nicht mehr auf Stadtstaaten begrenzten „alt-griechischen“ Welt müssen wir heute allerdings systematisch mitfragen: Welche Auswirkungen haben unsere Formen guten (oder schlechten) Lebens auf andere Teile der Welt? Wirtschafts- und Sozialwissenschaft darf diese Wertfragen nicht ausblenden oder an andere Disziplinen abschieben.
Bei der Erforschung der genannten Themen sind wir zugleich theorie- und anwendungsorientiert. Die Theorieorientierung sorgt für einen harten Begründungsanspruch und die ernsthafte Suche nach besseren Erklärungen. Die Anwendungsorientierung sorgt für die Konfrontation akademischen Dünkels mit der Wirklichkeit. Wer beides tut – und das zugleich antidisziplinär – verstößt zwangsläufig gegen diese oder jene Erwartung an Wissenschaft und Wissenschaftlichkeit. Wir verstoßen gern.
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(Studentische) Mitarbeiter
Nicolas Erhardt
Fabian Kittel