Zwölfteilige öffentliche Ringvorlesung an der ZU
Ausgerichtet von Prof. Dr. Karen van den Berg (Lehrstuhl für Kunsttheorie und inszenatorische Praxis) und Prof. Dr. Jan Söffner (Lehrstuhl für Kulturtheorie und Kulturanalyse)
Wenn Fakten in der Politik immer weniger Effekte auf die Meinungsbildung und das Wählerverhalten haben, scheint es an der Zeit, von einer Krise des Realen und der Realität zu sprechen. Krisen der Realität sind schon häufig ausgerufen worden – von den Avantgarden der Moderne, von den Existentialisten, von der Postmoderne mit ihren radikalen Konstruktivismen und Dekonstruktionen. Doch waren diese von der jeweiligen Bewegung selbst ausgerufene, in den meisten Fällen sogar gewünschte Krisen: Es waren Krisen, die eher von einer Macht und Dominanz der Realismen ihrer jeweiligen Zeit zeugten und von dem Wunsch, sich von einem Totalitarismus des Realen befreien zu wollen.
Dan Perjovschi, „Are universities so universal?“, 2017.
Gegenwärtig aber verweisen Theoriedebatten vom New Realism bis zum Spekulativen Realismus sowie ein neuer Realismus und Dokumentarismus in den Künsten auf das Anliegen, das Konzept der Realität zu wahren oder neu beschreiben zu wollen. In Literatur, Film, Theater und in der Bildenden Kunst lässt sich daher derzeit nicht zufällig ein neuer Realismus ausmachen; – ein Realismus, der sich von seinen Vorläufern in vieler Hinsicht unterscheidet. Denn seit von „Post-truth“ die Rede ist und virtuelle Realitäten Teil des Alltags geworden sind, stellt sich die Frage neu, wie sich ein Konzept von Realität gewinnen lässt, das sich als soziales Fundament eignet und nicht beliebig dehnbar ist. Dieses Anliegen hat in Zeiten, in denen mit Fake-News Politik gemacht wird, eine neue Dringlichkeit gewonnen.
Da die Künste seit je her ein ganz eigenes Verhältnis zur Realität pflegten und immer schon auch das Fiktive und Mögliche entwarfen, eignen sie sich in besonderem Maße, unterschiedliche Realitätsbegriffe beobachtbar zu machen. In den Künsten wird nicht nur die Wahrnehmung selbst erfahrbar gemacht, es wird auch auf je eigene Weise das Verhältnis zur Wirklichkeit ausgelotet. Dabei wird eine Abständigkeit zur Welt erfahrbar, es werden Realitätsbrüche spürbar oder durch hyperrealistische Szenarien immersive Intensivierungen der Wirklichkeitserfahrung evoziert.
Mit ihren unterschiedlichen Realismen unterhielten die Künste ehedem ein eigenes Verhältnis zur Realität. Sie scheinen daher in besonderem Maße geeignet, Realitätskrisen beobachtbar, wahrnehmbar und beschreibbar zu machen.
Vor diesem Hintergrund stellen Experten aus Kunst-, Musik-, Film- und Literaturwissenschaft im Rahmen der Ringvorlesung Schlüsselwerke von Künstler/innen, Schriftsteller/innen und Filmemacher/innen vor, die das Realitätsverständnis ihrer Zeit problematisieren.
Die Veranstaltungen im Einzelnen:
mit Prof. Dr. Jan Söffner